DJ BOARDSTEIN HAT FERTIG MIT UGANDA

Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren, hier ist die Tagesschau!

Ja, scheiße, wieder in Deutschland, Mann, seit drei Tagen jetzt, und so schön Heimat auch ist, so deutsch ist sie halt auch. Wo war ich letztes Mal stehen geblieben? Daß ich angekündigt hatte, erst wieder zu schreiben, wenn ich schon wieder zu Hause bin!? Check! Daß wir nach Fertigstellung unseres Bowls noch eine Woche nach Kenia an den Indischen Ozean wollten!? Nicht check! Tja, das haben wir uns wegen Corona-Streß-Gedaddel im Nachbarland dann doch lieber gespart und in Uganda war`s – gerade diesbezüglich – ja eigentlich sowieso am schönsten, also was soll ich groß noch erzählen und mit Bildern bespaßen!? Vermutlich u.a. eben, daß wir diesen “verdammten“ Bowl tatsächlich relativ easy fertig gebaut haben; und das ging so…

Also ja, wie ging es denn eigentlich, zu Ende? Eigentlich so wie immer und auf jeder Baustelle, halbwegs reibungslos, die wirklichen Katastrophen sind ja dann doch eher eine Seltenheit. Und ja, wir haben wirklich gute Arbeit geleistet und das Quäntchen Glück oder Karma gehabt, als am Tag, als wir das Flat im Deep End betoniert haben und tiefbedrohlich schwarze Wolken den Himmel bedeckten, es dann doch nicht brutalst auf uns nieder geschüttet hat, dafür dann ein bißchen doll am nächsten Tag beim ersten Teil der Plattform. Und ja, da ist Mann es auch gewohnt, daß Mann mal bis Mitternacht arbeiten muß, oder auch zwei- bis dreimal nacheinander, weil an den Tagen, wo man sich die gewohnte Sonne wünscht, damit der Scheiß schnell aushärtet, sie natürlich ausbleibt. Alles Beton-Insiderscheiße das hier gerade…

Doch wir sind dann im Endeffekt tatsächlich echt schmoof fertig geworden, Samstag der 8. war das, daß wir den zweiten Teil der Plattform fertiggemacht haben. Und nach zwei Nachtschichten hab` ich mich dann abends irgendwann auch dem Feierabend gewidmet und Patti und Johnson – den beiden besten einheimischen Beton-Dudes vor Ort, die ich, ohne mit der Wimper zu zucken, für jedes eigene Projekt in der Heimat sofort einstellen würde – das letzte Finish machen lassen, und die Jungs haben sich wie immer verdammt gut gehalten. Die haben echt jeden Arbeitsschritt nach einmal Zugucken abgespeichert und in ihr Repertoire übernommen, richtig richtig gute Jungs die beiden. Und sie haben dann auch später noch die Außenwände, die wir für diesen Bowl ja hochziehen mußten, anständig verputzt, und nun können die schön beim nächsten Street-Art-Festival mit Graffiti verziert werden.

An dieser Stelle auch nochmal ein Riesenlob und meine ganz persönliche Hochachtung an jeden einzelnen der lokalen Helfer, der hier und da mal angeheuert wurde, bei diesem Projekt mitzuhelfen, und es waren insgesamt gesehen mindestens 40 verschiedene, mal der, mal der. Ich hab` das System dabei, mit dem Godfather Jack die Jungs anheuerte, nie verstanden, aber dadurch umso mehr Locals kennen- und lieben gelernt, weil – wie gesagt – zusammen in der Sonne und im Dreck schwitzen, das schweißt zusammen. Und ey, die Achterbahn des Todes, über die die Boyz immer das Material auf die obere Ebene schaffen mußten, um dort den Mixer und dann den Bowl zu füttern, war eben des Todes. Alles, was gefehlt hat, waren darunter schwimmende und nach Menschenfleisch lechzende Alligatoren, aber die gibt es in Kampala wohl schon lange nicht mehr.

Oh Mann, ja, und dann war der Bowl Samstags endlich fertig, und dann kam der große Regen und es hat zweieinhalb Tage lang so richtig geschüttet. Am Montag hatte Gabu dann Geburtstag – und das darf mensch sich dann auch nochmal auf der Zunge zergehen lassen – da hat der Projektleiter den ersten anständigen Skatebowl Afrikas nördlich von Südafrika pünktlich zu seinem Geburtstag fertiggestellt, und hat dann nichts davon, weil das Teil einfach unter Wasser steht. Was also tun? Das, worüber sich eh schon vorher Gedanken gemacht wurde: Nämlich dat Dingen halbwegs ganz mit Wasser zu füllen und den unzähligen Kids der Nachbarschaft die erste Swimming Pool-Erfahrung ihres Lebens zu geben – nachdem die Erwachsenen natürlich eine Swimming Pool-Party für Erwachsene darin gefeiert haben. Und somit wurde dann tatsächlich ab Sonntagabend zusätzlich zum Regen mit einem kleinen bescheidenen Schlauch Wasser in den Bowl gelassen. Schwimmen ist eh viel gesünder als Skaten…

Leider war es dann am Montag so kühl und verregnet, daß es nicht wirklich Sinn machte, eine Party zu veranstalten – das Geburtstagskind selbst war auch mal wieder anderweitig abgelenkt, zwinker zwinker knick knack – so daß ich letztendlich abends die Stellung hielt und ohne Gabu und Kiki, aber mit dem richtig harten Kern Party machte, der Embassy. Da kam es dann auch zu der ersten Badesession… Aber richtig geil wurde es dann am Mittwoch, als der Bowl wirklich halbvoll war und Gabu ihn für die Kids vor Ort für ein Stelldichein freigab. Das war schon wirklich etwas Besonderes, diesen Ameisenhaufen beim Plantschen zuzusehen, also ich bin mir sicher, Jack und die Boyz werden den in Zukunft noch öfter volllaufen lassen, Wasser ist in Uganda ja nicht unbedingt Mangelware (Niederschlag wie weltweit inzwischen schon eher). Auf jeden Fall rannte uns dann irgendwie die Zeit weg, denn als der Bowl wieder trocken war, war er dann wieder dreckig, weil Patti und die Jungs am Wände verputzen war, und irgendwie hab` ich da letztendlich nur eine wirkliche Session drin erlebt, von der es irgendwie keine Photos gibt, weil alle zu sehr gehyped waren zu skaten.

Der ein oder andere war vielleicht auch zu breit, denn die Embassy war immer verführerisch um die Ecke. Und dafür muß ich dann wohl auch endlich nochmal deutlich erklären, wobei es sich bei der Embassy handelt, das ist nämlich im Endeffekt das – einst von Viva Con Aqua aus leeren Plastikflaschen und Mörtel errichtete – Toilettengebäude in der hintersten Ecke von dem Gelände, welches mensch als Jack`s Wonderland bezeichnen könnte. Einfach weil der gute Mann hier auf seinem Grund und Boden gemeinnützige Jugendeinrichtungen, wie z.B. den Skatepark, entstehen läßt. Ja, und die Embassy ist halt dieses Klo mitsamt kleinem Vorplatz und Bänken, wo die Locals – seit dem ersten Covid-Lockdown letzten Jahres übrigens erst – abends chillen und meisten dabei Gat kauen und/oder Waragi trinken (und wenn Muzungus anwesend sind, auch gerne geschnorrte Zigaretten und/oder Joints rauchen). Und wir waren quasi die ersten Muzungus in der Hood, und das nicht zu knapp.

Ja, Mann, die Embassy, wenn du so willst, ein Gang Headquarter ohne Gang und offen für alle, die gut drauf sind und keine Scheiße bauen. Das hat man dann auch an einem Abend gemerkt, als Jack spät nachts eine Ansage gemacht hat, daß wenn nicht innerhalb einer Woche das neue bereits geklaute Mikro für die gerade für die Uganda Skateboard Union (und damit eben für das ganze Gelände) angeschaffte Lautsprecher-Box wieder auftaucht, es vorbei ist mit der Embassy. Ja, das hatten tatsächlich irgendwelche Strolche geklaut, und bei der Embassy wird nicht geklaut, dafür herrscht da viel zu viel Respekt vor dem, was Jack den Menschen vor Ort ermöglicht, aber es schleichen sich halt auch immer wieder, ja, eben Strolche ein, um nicht Gangster zu sagen. Und als ich die Boyz ein, zwei Tage später drauf ansprach, was denn nun mit dem Mikro passieren würde, waren sich alle einig, daß sie ein neues besorgen würden, weil ohne Embassy will keine(r)…

Wir hatten in den Wochen vorher ja schon ein paar, manchmal echt wilde, Abende gehabt, Kiki und Gabu noch öfter als ich, weil ich bin alt und ausgelutscht, aber in der letzten Woche haben wir es da dann noch drei-, viermal richtig krachen lassen, und wie alle Afrikaner tanzen die Menschen in Uganda auch echt ordentlich und ausgelassen, zu später Stunde geht das dann auch gerne mal in Lambada-ähnliche Bewegungen, wo dann keine Hose trocken bleibt, äh, kein Auge, und so… Und wegen der lauten Musik nachts unter der Woche!? ‚Nobody say‘ heißt es im Ghetto… Auf jeden Fall vermisse ich die Embassy schon jetzt, und ja, es hatte dann tatsächlich Sonntag vor zwei Wochen auch noch mit meinem Muzungu Tattoo geklappt, Muzungu @ Embassy, um genau zu sein.

Nach zweieinhalb Versuchen schaffte es Vegas, Tattoo-Künstler aus der Innenstadt und Kollege von den Boyz, es dann auch mal ins J&J Inn in mein Hostelzimmer für eine artgerechte Tätowiersession. Und wir hatten uns darauf geeinigt, daß es für die Embassy so eine Art Gangzeichen geben sollte, nämlich eine Nähmaschine, und zwar so eine altertümliche, wie sie im Studio neben dem Skatepark steht. Dazu muß ich wohl auch nochmal kurz erklären, denn es gibt halt neben dem Skatepark ein Gebäude mit drei Räumen und dem überdachten Clubraum davor, wo wir immer unser Mittag gegessen und sonstwie rumgechillt haben. In dem einem Raum haben ein paar der Jungs halt eine kleine Schneiderei/Kunstwerkstatt, wo sie im feinsten Afrika-Style, also gerne schön laut und bunt und halbwegs willenlos, ihre eigenen Klamotten kreieren. Und jede(r), der/die sonst noch Kunst macht – und in Kintintale sind alle irgendwie Künstler, zumindest stellen sie sich oft so vor – kann in dem kleinen Räumchen eben Kunst (mit)machen. Daher die Nähmaschine als Gangzeichen und außer mir haben das jetzt schon Texus, Wasswa und Gabu, genau in der Reihenfolge. (Kiki, der Kanadier, hat gekniffen, warum werde ich nie verstehen, vielleicht weil wir ihn erst wecken mußten, es war inzwischen gegen Mitternacht…)

In dem zweiten Raum beim Studio wohnen übrigens abwechselnd und vorübergehend so vier bis fünf von den Jungs, gerne auch plus Übernachtungsgäste, die mensch wohl durchweg als Streetkids bezeichnen kann, also junge Erwachsene, die kein Zuhause haben, aber bei Jack eins gefunden haben, darunter auch Syrage(?), einer der besten Skater Ugandas. Ein anderer, der dort bzw. überall und nirgends lebt, ist Artman, der vor der Embassy eine Bambuswerkstatt hat und diverse Gebrauchsmaterialien aus Bambus herstellt und anderen beibringt, wie sie das auch machen können. Wie gesagt, das ganze Areal um den Skatepark ist letztendlich ein Jugend- und Kulturzentrum. Während wir da gebaut haben, wurde nebenan auch noch ein Gebäude renoviert – von einer anderen NGO namens ICS unterstützt bis finanziert – in dem zukünftig Computerkurse für Kids gegeben werden sollen, und zwar von Nelson, Embassy-Ehrenmitglied vom Feinsten. Wie gesagt, fast alle haben irgendwelche Talente und steuern zum Gesamtprojekt bei, das macht diesen Ort wirklich zu etwas Besonderem. Denn es wird – zumindest tagsüber – verdammt wenig gechillt da, irgendwie passiert immer irgendwas und auch die Jungs, die tagsüber nicht da sind, gehen auf die Uni oder haben sonstwas am Laufen.

Photo von Ras Pixels
Photo von Ras Pixels

Dann gibt es da noch den dritten Raum, der uns als Abstellraum und Lager gedient hat, weswegen wir unter der Plattform vom Bowl nämlich auch noch – ohne gefragt zu werden und einfach nur, um die Situation vor Ort zu verbessern – einen gut vier Quadratmeter großen Abstellraum eingebaut haben. Denn wenn Jack aus dem Abstellraum die Hälfte von dem Kram wirklich mal wegschmeißen (in Afrika nicht so üblich) und die andere Hälfte auf seinem Dach und in unseren neuen Abstellraum umlagern würde, gäbe es noch einen Raum zum Wohnen, so daß die Boyz entweder nicht mehr zu fünft auf zehn Quadratmeter leben müssen oder noch Platz haben, um anderen ein Heim zu geben. Da lernt mensch auf jeden Fall mal wieder, was Brüder und Kameradschaft und so`n Scheiß sind…

Naja, und es klingt doof, aber manche Dinge müssen/mußten wir als Westeuropäer dann vielleicht einfach auch mal anschubsen, weil AfrikanerInnen denken nun mal nicht unbedingt immer wie wir, und das ist verdammt gut so, denn wir können wahrhaftig mindestens genauso viel von denen lernen wie andersrum. (Aber diese Diskussion will ich jetzt hier bitte nicht weiter vertiefen, u.a. dazu gibt es bald einen ganz ganz langen und ausführlichen Blog-Eintrag, nur daß ihr nochmal vorgewarnt seid.) Jedenfalls hatte ich ja bei den letzten beiden Malen schon durchklingen lassen, daß wir ja – so ganz nebenbei beim Bowl bauen – auch noch den bestehenden Skatepark gehörig aufgepeppt und verbessert haben, etwas was die Locals in den letzten zehn Jahren eigentlich auch von alleine hätten tun können.

Aber ja, vielleicht mußten wir ihnen nun erst einmal zeigen, daß und was so möglich ist, ich finde das Wort Entwicklungshilfe an sich auch nicht so schlimm, deswegen bin ich ja überhaupt erst da runter nach Uganda geflogen. Somit nebenbei nochmal eben flugs vier neue Rampen gebaut, und das war bitter nötig, denn der bereits bestehende Skatepark war vorher nun mal äußerst bescheiden und ist jetzt halt ein bißchen weniger bescheiden, und macht vor allem wesentlich mehr Sinn zu skaten, was Hin und Her-Flow angeht. Und das war halt Gabus, Kikis und meine Idee und Eigeninitiative, wir sind halt Skater, die so etwas sofort sehen und ändern wollen und es dann auch sofort tun, wenn sie denn schon mal vor Ort sind. Ich mein`, Kiki, der überhaupt zum ersten Mal mit Betonbau zu tun hatte, hat das na klar auch direkt geblickt und ist angefixt gewesen, Beton ist nun mal Kneten für Erwachsene…

Und da muß ich auch nochmal sagen, was für einen geilen Job Gabu gemacht hat, denn er hat mehr als tatkräftig mitgearbeitet, aber zusätzlich auch noch die ganze Organisation hinter und in den Kulissen gemacht, und da gehört echt was zu in einem Land, in dem es a) nicht überall immer das gibt, was mensch gerade braucht, vor allem keine Kassenbelege oder Ähnliches, b) die Leute jeden Feierabend cash bezahlt werden, und zwar in Scheinen mit fünf Nullen drauf, und c) mensch auch ein bißchen feilschen können muß, denn als Muzungu versucht in Uganda jede(r) – dich nun nicht über den Tisch zu ziehen, dafür ist Uganda viel zu sehr Pearl of Africa – aber auf jeden Fall das Beste aus dir rauszuholen (vor allem ein ehrliches Lächeln). Und Gabu hat das alles so geil hingekriegt, daß möglichst viele lokale Leute an diesem Projekt mit verdient haben (und Sachen gemacht, die sie sowieso besser können als wir) und wir so sparsam gewirtschaftet haben, daß wir zum Beispiel auch ein Geländer um den Bowl bauen lassen konnten, wie es so nicht eingeplant war, aber bei gut zweieinhalb Meter hohen Wänden mehr als Sinn macht. (Für `ne TÜV-Prüfung muß mensch in Uganda übrigens kein Geld verschwenden!)

Ey, im Endeffekt ist alles mehr als super gelaufen, Gabu ist auch noch mindestens bis zur offiziellen Eröffnung – wo dann wie immer auch reichlich Muzungus aus Münster eingeflogen werden – vor Ort, und es soll vor der unteren Fläche auch noch eine Drainage gebaut werden, damit die Boards nicht immer naß werden und dementsprechend länger halten. Jack will mit dem ganzen Restholz, mit dem wir an Gabus Geburtstag eigentlich ein großes Freudenfeuer entfachen wollten, noch eine Kaninchenzucht aufbauen, es wird wohl zeitnah auch noch ein weiteres Haus für Projekte entstehen, eine Flat-Area für die ganzen Tanzkurse, die regelmäßig die Flächen im Skatepark blockieren, usw. usf…

Also irgendwie war es besser so, daß das mit der Woche Kenia hinterher nichts geworden ist, denn so habe ich einen Grund mehr, in zwei, drei Jahren nochmal nach Uganda zu fahren, alte Freunde wiederzusehen, die mir innerhalb sieben sehr intensiver Wochen wirklich ans Herz gewachsen sind, um zu gucken, wie sich das ganze Areal um den Kintintale Skatepark noch so weiter entwickelt hat und um zu sehen, wie sich die Boyz und Girlz mit den Rundungen des Bowls angefreundet haben. Und um das Ganze mit einer Rundreise zu den Skate-Aid Projekten im benachbarten Ruanda, Kenia und Tansania zu kombinieren! Denn Afrika ist wirklich toll und interessant und aufregend, alles Attribute, von denen ich in meinem Leben nicht genug bekommen kann.

Und ja, es kam dann, wie es kommen sollte, und Samstagnachmittag rief dann der Taxifahrer, der mich zum Flughafen bringen sollte – Bruder von Local Peter, es bleibt halt alles in der Familie – an, daß wir besser drei Stunden früher aufbrechen sollten, da der Verkehr in Kampala mal wieder am Zusammenbrechen bzw. Stehenbleiben war. Somit mußte ich nicht nur überhastet zusammenpacken, sondern konnte mich leider auch von diversen meiner neuen Homies nicht verabschieden. Als ich das dann bei der Belegschaft vom J&J Inn tat – unserem lieblichen Stundenhotel, welches uns Muzungus sieben Wochen lang beherbergt hatte – und Julie – eins von den Mädels, die sich da sieben Tage die Woche, vier Wochen im Monat ohne Urlaub für einen an westlichen Standards gemessenen Hungerlohn den Knackarsch aufreißt – mich im Spaß fragte, ich möge sie doch gerne mit nach Deutschland nehmen, wurde mir schlagartig wieder klar, daß sich all diese durch die Nation weg vor allem jungen Leute bei aller Fröhlichkeit vor allem auch ein besseres Leben wünschen. Und wie verdammt scheiße viel zu gut wir es in Mitteleuropa denn so haben…

Ich hab` dann auf der gut dreistündigen Fahrt (für 55km) durch Kampala nach Entebbe zum Flughafen auf der Rückbank unseres Taxis mindestens die Hälfte lang wie ein Schloßhund geheult wegen all der guten Zeiten, die mir gegeben wurden, den tollen lebensfrohen Menschen, die ich kennenlernen durfte, und den Millionen Einzelschicksalen, die die Einwohner von Uganda nun mal ausmachen. Es war ohne Frage eine der intensivsten und besten Reisen und Erfahrungen meines Lebens, DAS hatte ich niemals erwartet, als es für mich hieß ‚Okay, ich flieg` dann demnächst nach Uganda, um da einen Bowl zu bauen’… The fuckin` pearl of Africa, aber hallo!

Und wenn mensch dann (Samstagabends) durch diese nicht enden wollende Stadt fährt und aus dem Fenster schaut und sich dieses Gewusel anguckt, das so fern ist von dem, was wir in unser westlichen Welt kennen, dann weiß mensch, daß mensch in einer anderen Welt ist, nämlich in Afrika. Da wollen dir am Autofenster Leute Familienpackungen Klopapier verkaufen, müssen aber Platz machen für ein Mann mit Fahrrad, auf dem 200 Kilo Stahl festgezurrt sind, während auf dem Bürgersteig ein Kind versucht, mit einem alten Staubsauger Skateboard zu fahren, und zwar neben einer Mutti, die auf dem Boden hockt und ihre 17 Zwiebeln zu zwei Türmchen aufgebaut hat, um sie zu verkaufen. Und überall Kinder mit leeren oder vollen Wasserkanistern… Alles fließt innerhalb von 15 Sekunden an deinem Auge vorbei und wenn dir das nicht genug ist, kannst du dich vielleicht über den Style amüsieren, in dem sich vor allem die Männer kleiden, denn in Uganda gibt es keinen Style und jeder hat seinen eigenen, mit dem sich hier keiner auf die Straße trauen würde. Und wenn dir das nicht reicht, mußt du dir nur bewußt machen, daß du die ganze Zeit ausschließlich rechts aus dem Fenster schaust und sich links im Sekundentakt mannigfaltig dasselbe abspielt!

All diese abertausend Menschen haben ein Leben, einen Auftrag, ein Schicksal, da bist du nur eine(r) von ganz ganz und viel zu vielen auf diesem Planeten und ganz sicher nicht besser oder wichtiger oder sonstwas als irgendwer. Und wir müssen/sollten alle zusammenhalten! „The road of life is rocky and you may stumble, too / But while you point your fingers someone else is judging you!“… Could you be, could you be, could you be love, peace and harmony war schon immer in mir verankert, aber Uganda hat mir wirklich nochmal bewiesen, daß es sowas (innerhalb einer Nation) tatsächlich gibt. Und dann hast du auf der Strecke zwischen den zwei Städten auf einmal für fünf Minuten um dich herum keine wuchernde Zivilisation und neben dir einen See, bei dem du bei klarster Sicht am Horizont kein anderes Ufer erkennen kannst, und denkst dir nur ‚Was für ein geiles und schönes Land‘.

Und scheiße, ja, ich sollte und will realistisch bleiben, denn während meiner letzten Woche vor Ort wurde der “altbewährte“ und auf vermutlich nicht unbedingt “demokratische“ Weise wiedergewählte Präsident Museveni einmal mehr vereidigt, und zwar für seine sechste Amtsperiode, mit der er dann in fünf Jahren die 30 vollmachen wird. Da brausten dann einen Tag lang auffällig viele Militärflugzeuge über unser kleines Ghetto, in dem nach Feierabend gerne Bobi Wine gehört wird (das ist der Reggae-Artist, der bei der Wahl als Opposition angetreten war und der echt geile Mugge macht und vermutlich bessere Politik als der Amtsinhaber). Da denkt man sich, ey, Museveni, bring` dein Land mal auf Vordermann und nicht nur die Oberen Zehntausend, du hast stolze hart arbeitende und überaus fröhliche Bürger (und zwar Millionen davon und solche, die es bald werden werden), dein Land hat Wasser und (noch) genug zu essen für alle, Alter, mach` was draus! Aber T.I.A., ey, T.I.A., und da ist es in der Hinsicht auch nicht anders als woanders und hierzulande, ohne Revolution läuft gar nix.

Photo von Ian Nnyanzi

Boah, ja, und dann sitzt du da schlußendlich im Flugzeug – das erste Mal seit sieben Wochen wieder mit Maske auf (geht gar nicht für 20 Stunden!!!) – und neben dir zwei etwa gleichaltrige Damen, und dann hörst du nebenan in bayrischem Akzent: „I glaub`, die Schuhe entsorg` i und kauf` mir neue, die krieg` i nimmer sauber…“, nachdem du gerade 15 Paar gebrauchte Schuhe aus Deutschland mitgeschleppt und an glückliche Leute verteilt hast. Alter, da kriegst du das Kotzen und willst am liebsten gleich wieder aussteigen und zurück zu den Brothas und Sistaz anner Embassy. Da kannste jede Nacht bis in die Puppen Reggae hören, ohne daß jemand was sagt, weil nobody say! In Uganda wirst du – zumindest meiner bescheidenen Erfahrungen nach – wirklich für nichts doof angemacht oder angeguckt, es sei denn, du bist Muzungu. Dann biste nämlich Muzungu, und damit sehr gern gesehen und mehr als herzlich willkommen! Im Ernst, Leute, wenn ihr eine geile Afrika-Erfahrung wollt und/oder braucht – und ich empfehle jedem Bewohner dieses Planeten dringend wenigstens einmal diese Erfahrung – dann fahrt am besten erstmal nach Uganda, der Perle Afrikas. Der Name ist wirklich mehr als Programm, verdammt nochmal, vor allem in Kintintale, wo uns in den letzten Tagen noch so viel Dank entgegengebracht wurde.

Okay, ich habe dann erstmal fertig mit Uganda, aber I shall return! Es würde jetzt aufgrund der unermeßlichen Anzahl keinen Sinn machen, Grüße und Danksagungen rauszuhauen, außer vielleicht an Skate-Aid, die mir diesen geilen Scheiß ermöglicht haben, ja, danke dafür einmal mehr! Neue Brüder fürs Leben habe ich mehr als genug dazu gewonnen und ich bin mir sicher, wenigstens ein paar davon nicht zum letzten Mal gesehen zu haben. Ich bin jetzt ziemlich voll von neuen Erfahrungen und Erkenntnissen, aber dafür auch genauso pleite und muß mich nun erstmal dringend um Arbeit, Geld verdienen und zukünftige Projekte in dieser Beziehung kümmern, aber ich versuche euch, so gut es geht, mit dem Scheiß auf dem Laufenden zu halten. So bunt wie in Uganda wird es auf diesem Blog zeitnah aber vermutlich erstmal nicht werden, nun ja, wir werden sehen, mensch weiß ja nie. Ich hoffe auf jeden Fall, ihr hattet mal wieder ein bißchen Spaß und schaltet euch vielleicht wieder mal ein, denn der BOARDSTEIN lebt und will gelebt werden…

In diesem Sinne, alles Muzungu, Alter, und bis bald,

das Arne

P.S.: Jah bless Jack and his family!

P.P.S.: Jah bless da Embassy!

P.P.P.S.: Jah bless the jobless!

P.P.P.P.S.: Jah bless Kintintale!

P.P.P.P.P.S.: Shout-out auch nochmal an Muzungu-Homie Kiki, der tatsächlich noch im Anschluß für einen Burn-out nach Kenia geflogen ist! Er geht dann im September wohl nochmal nach Palästina (hoffentlich, bumm bumm) und anschließend mit Gabu nach Nepal auf Mission. Ey, wenn alle jungen Leute so aufgeklärt und motiviert wären wie die beiden, würde es unserer Welt auf jeden Fall besser gehen, aber sowas von.

Photo von Ian Nnyanzi

P.P.S: Zum Abababschluß vielleicht noch die kleine Krötengeschichte, die wohl leider eine Tragödie ist und bleiben wird. Denn der Skatepark wird u.a. von der ein oder anderen Kröte bewohnt, die immer wieder mal zwischendurch Krach machen und miteinander Quaken. Und ja, eine davon hatte es sich wohl irgendwie in der Verschalung der kleinen Quarter bequem gemacht, das entdeckte Patti mit den Worten ‚A frog!‘, als wir das Teil dann betoniert haben. Und wir haben echt alles gegeben, um sie da rauszuholen, aber sie saß zu tief, wollte irgendwie nicht weg und auf einmal kamen am Fließband die Schubkarren mit Beton angekarrt, die es zu verarbeiten galt. Wir opferten dann quasi diese Kröte, lebendig in Beton begraben, fast schon ein stylischer Tod. Aber nix da, irgendwann kam sie vorne rausgekrabbelt und ich, der sich ganz gut mit Beton auskennt, dachte nur, was für ein unglaubliches Wesen, mit Tonnen grauen Goldes auf dem Rücken dem Tode geweiht, aber doch noch ohne Taschenlampe irgendwie rausgebuddelt. Auf dem Photo sieht mensch vielleicht, daß sie danach erstmal ziemlich aus der Puste war. Ich bin mir leider auch ziemlich sicher, daß das die gleiche Kröte ist, die ich dann zwei Tage später vor der großen Quarter schwimmen sah, und zwar bewegungslos und kopfüber. Das war wahrscheinlich einfach zu viel für sie gewesen, Beton und Natur gehen nicht Hand in Hand, das hasse ich an meinem Beruf…

 

2 Gedanken zu „DJ BOARDSTEIN HAT FERTIG MIT UGANDA

    1. Helge, altes Haus, long time no see, vielen Dank und willkommen zurück! Aber, Alter, wo ich dich schon dran hab`, grad die neue Solo reinbekommen, können wir irgendwie `nen Deal mit deinem neuen Buch machen? Für dich rück` ich auch noch `ne BAUSTOP raus! Laß` mich wissen!

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