DIE ‚WO IST EIGENTLICH TIMBO?‘ TOUR 2014

Shang-Shang-Shanghai

Aber hallo mal wieder!

Ja, wie letztes Mal angekündigt gibt es heute hier mal etwas ganz Spezielles zu lesen, und zwar so `ne Art Tourartikel mit ganz viele Bilders, und das von einer Tour, die schon fast sechs Jahre zurückliegt! Braucht kein Mensch und sowas Sinnloses gibt`s natürlich nur bei BOARDSTEIN.COM, genau dafür sind wir hier, ups, eigentlich bin ich ja (noch?) ganz alleine auf diesem Kanal, aber latte, der Spirit ist, was zählt. Letztendlich handelt es sich bei besagter Tour auch nicht wirklich um eine BOARDSTEIN TOUR, aber irgendwie hatte das Ganze dann doch auch sehr ähnlichen Charakter wie unsere legendären Touren durch Europa damals. Allerdings sind wir diesmal mit dem Flugzeug geflogen, und zwar ganz weit weg, nämlich nach China, genauer gesagt Shnag-Shang-Shanghai und wie es dazu kam, erzähle ich am besten Mal ganz von Anfang an.

Irgendwann Ende 2013/Anfang 2014 kam in meiner Hamburger Crew, den Flora Bowl Locals (damals lebte ich noch in dieser tollen Stadt), das Thema auf, daß die Kaltenkirchener Fraktion, also Klaus, Manu und Erik, einen alten Skaterkollegen aus Neumünster kannte, der schon seit einiger Zeit in Hamburgs Partnerstadt Shanghai lebt und sämtliche Homies zu Hause natürlich schon dorthin eingeladen hatte, denn erstens ist Shanghai spätestens seit dem nicht mehr ganz so neuen Jahrtausend als Streetskate-Paradies bekannt, und zweitens würde er sich im chinesischen Exil natürlich mal sehr über norddeutschen Besuch freuen. Besagter Kollege ist ein sogenannter Lucas Löhnert, und nachdem mir erklärt worden war, wer das ist, wußte ich auch, mit wem ich es zu tun habe. Da gibt es nämlich eine meiner berühmten Vorgeschichten zu, also raus damit:

Und zwar muß es so 1997 gewesen sein, als ich noch relativ frisch mit der Liebe meines Lebens zusammen war und regelmäßig mit dem Zug nach Hamburg gefahren bin, alleine über diese Fahrten gäbe es jetzt genug Material, um ein ganzes Büchlein zu füllen, fuhr ich doch regelmäßig schwarz, aber ich verschone euch ausnahmsweise mal heute mit weiteren Einzelheiten. Jedenfalls mußte man damals noch in Neumünster umsteigen, und weil ich natürlich immer mein Skateboard dabei hatte, sprach mich mal irgendwann so`n Typ an, der gerade bei der dortigen Bahnhofsmission seinen Zivildienst leistete und dabei eine ziemlich ruhige Kugel zu schieben schien. Das war besagter Lucas, auch Skater, und wir plauderten dann jedes Mal, wenn wir uns sahen, ein paar Minuten auf dem Bahnsteig rum, und als mein damaliges Videoprojekt fertig war, verkaufte ich ihm natürlich auch eine Kopie für 10,- DM(!), die ich allerdings nie von ihm gekriegt habe, weil irgendwie haben wir uns danach nicht mehr zu Gesicht bekommen.

Zu dem Video mit dem verheißungsvollen Titel ‚Ausgerechnet Angeln II – Rural Excess‘ ist vielleicht zu sagen, daß es sich dabei nicht um ein Standard-Homie-Video handelt, nun eigentlich schon, allerdings geht unserer Streifen knapp sechs Stunden und ist quasi ein lebendiges Photoalbum der Jahre 1995 und ’96 bei uns in Angeln auf`m Land, und ich habe nicht umsonst ‚1995‘ auf dem Oberarm tätowiert, weil es nämlich das beste Jahr meines Lebens war und vermutlich ungeschlagen auch immer bleiben wird. Somit gibt es auf diesem Video nicht nur reichlich Skate-Action von uns an zumeist sehr bescheidenen Spots oder Rampen, sondern vor allem auch Partyexzesse und ganze Parts, wo nichts anderes gemacht wird als Bong rauchen und dazugehörigen Schabernack treiben, wirklich ein zeitgenössisches Dokument, das seines Gleichen sucht. Ich hatte davon insgesamt gut 60 Kopien auf jeweils zwei 180er VHS-Cassetten gemacht und dazu entsprechende Cover (mit einem echten eingeklebten Hanfblatt!) angefertig, und ja, Lucas hatte also eine davon bekommen und die halt nie bezahlt.

Vorgespult Anfang 2014 nach Hamburg, wo ein paar Leute – angespornt vermutlich vor allem von mir, der unbedingt diese Gelegenheit nutzen und Street skaten in China wollte – ernsthaft anfingen, für den Sommer einen dreiwöchigen Trip nach Shanghai zu planen. Anfangs waren natürlich viele davon begeistert, allen voran Klaus, Manu und Erik, desweiteren hatten Rasmus, Andi, Böller und Timbo Interesse bekundet, bis sich dann irgendwann eine Crew herauskristallisierte, die aus Erik, Rasmus, Andi, Timbo und mir bestehen würde, und geplant war, irgendwie in den Sommerferien zu fliegen – eigentlich nicht so meine Lieblingsreisezeit, weil ich da entweder Geld verdiene oder sofern möglich auch liebend gerne zu Hause rumchille – aber was soll`s!? Für manche von uns paßte es nur so und gerade Lucas sollte vor Ort natürlich möglichst frei und Zeit für uns haben. Irgendwann waren dann Flüge gebucht und Visa rangeschafft und am 5. August früh morgens sollte es dann für drei Wochen eben nach Shang-Shang-Shanghai gehen, wobei Andi von seinem arschigen Chef nur zwei Wochen Urlaub genehmigt bekommen hatte (wenn man halt schon mal nach China fliegt) und deswegen leider eine Woche vorher würde abreisen müssen.

Mich und die Boys in Shang-Shang-Shanghai…

Tja, fünf Tage vor Abflug schaffte Timbo es dann glorreich, sich beim Skaten ein Bein zu brechen, und mußte somit ausscheiden, als hätte es so sein sollen, war er allerdings der einzige mit einer Reiserücktrittsversicherung und bekam dann wenigstens den Großteil seines Geldes wieder, aber extrem doof war das Ganze natürlich trotzdem, vor allem für ihn. Somit erklärt sich also auch der Tourname dieser Reise, denn ‚Wo ist eigentlich Timbo?‘ wurde natürlich die drei Wochen lang in China immer mal wieder in Raum geschmissen, meistens natürlich wenn es gerade irgendwie besonder geil oder spektakulär war, und es uns einfach leid tat, daß unserer daheimgebliebener Freund daran nicht teil haben konnte.

Rasmus, der alte Filmemacher, hat dann nach der Tour einen sehr geilen 35-minütigen Clip aus unserem gesammelten Footage gemacht, und der kann sich echt sehen lassen, weniger wegen unseres Skatens, aber mensch kann sich wirklich einen hervorragenden Eindruck von unserem kurzen Aufenthalt im Reich der Mitte machen, weil Rasmus sowas nämlich auch beruflich macht, der kann das also einfach, Video-Edit und so`n Scheiß. Dieser Clip wurde bis jetzt aber niemals online gestellt oder so, es gab lediglich eine einmalige Uraufführung auf meiner Ich-zieh`-weg-aus-Hamburg-Abschiedsparty im Jolly Roger ein halbes Jahr nach der Reise und jeweils eine gebrannte Kopie für alle Beteiligten, das war`s. Naja, und letztens kam mir halt irgendwann mal die Idee, daß das Ganze doch einen prima Blog-Eintrag abgeben würde, also haute ich Rasmus an, ob er den Clip nach all den Jahren nicht einfach mal online stellen und auf die Menschheit loslassen wollen würde, und er meinte, darüber hätte er in der Tat inzwischen auch schon mal nachgedacht. Nachdem dann alle ihr Einverständnis gesimst hatten, war der Clip somit ratz fatz online, den Link dazu gibt es von mir hier aber erst am Ende, erstmal schön lesen, nä!?

An diesem berühmten Spot wollte ich unbedingt ein Photo haben, und die Securitys (im Hintergrund) ließen uns dann auch gewähren. Ph: Rasmus

Tja, und so flogen Rasmus, Andi und ich dann von Hamburg über Dubai nach Shanghai und das Besondere dabei war, daß unser Andi im zarten Alter von 32 zum allerersten Mal in einem Flugzeug saß und das zweite Mal überhaupt erst die deutschen Landesgrenzen hinter sich ließ, und dann direkt nach Shang-Shang-Shanghai, kurzum: Andi war mehr als gestoked. Erik hatte sich irgendwie selbst einen Flug besorgt und war schon einen Tag vorher geflogen, und vielleicht sollte ich hier erstmal kurz noch erklären, um welchen Erik genau es sich überhaupt handelt, nämlich um Kisdorf`s Finest, the one and only Erik Möller! Erik hatte in den `90er Jahren viel Zeit in der alten I-Punkt Halle und mit den damaligen legendären Hamburger Locals verbracht und war seinerzeit einer der ganz wenigen deutschen Pros, die nicht nur Street rippen konnten, sondern auch Transition, und eigentlich waren Miniramps, Bowls und Halfpipes auch immer das Terrain, wo Erik sich am wohlsten fühlte und wofür sein Skaten auch bekannt und sehr geachtet war. Ich mein`, als ich ihm zum ersten Mal begegnete, machte er gerade hüfthohe Kickflip Indy Grabs über die Hip im I-Punkt Bowl, das muß so 1995 gewesen sein. Sagen wir mal so, wenn man über deutsche Skateboardlegenden spricht, werden Leute wie Erik Möller gerne mal vergessen, einfach weil sie sich nie in den Vordergrund gespielt und eher ihr Skaten als Worte haben sprechen lassen, aber letztendlich ist/war Erik Möller ganz objektiv betrachtet ohne Frage einer der besten Skateboarder, die Deutschland je hervor gebracht hat, und dazu ist er einer der bodenständigsten, sympathischsten und witzigsten Typen überhaupt. Ein waschechter BOARDSTEIN sozusagen und es war mir eine verdammte Ehre, nach all den Jahren mal mit ihm zusammen auf Tour zu gehen, vor allem weil wir dann wenigstens einen dabei hatten, der auch wirklich mit seinem Board umzugehen weiß. Kein Wunder, daß er auch MVP der Tour für sich beanspruchen kann, ansonsten kann ich nur sagen: We`re not good enough for perfect spots…

Ahnsu das Schild, Aller!

Dubai Flughafen ist immer wieder ein Highlight, irgendwann muß ich so einen Zwischenstop nochmal auf drei Tage ausdehnen und mir diese wahnsinnig protzige Stadt angucken, ist allerdings ein echt teures Pflaster. Geil ist dann, wenn mensch für 18,- Euro einen halben Liter Wasser aus dem Automaten ziehen kann, der dann wiederum neben einem öffentlichen Wasserspender steht. Schnell weg und nochmal neun Stunden nach Shanghai, zum Glück haben die bei Dubai Airlines ein gutes elektronisches Unterhaltungsprogramm an Bord, anständiges Essen übrigens auch. Lucas nahm dann ein zweites Mal den weiten Weg auf sich, um auch uns vom Flughafen in Shanghai abzuholen, und ungefähr das erste, was er zu mir meinte, war, daß er mir noch 10,- DM schulden würde, die er mir zu Hause erstmal in Gras wiedergeben würde, was für ein geiles Wiedersehen nach 20 Jahren. Außerdem begrüßte er uns natürlich stilecht mit einer Tüte voll kalter Bierdosen, was sehr gut war, denn in Shanghai war es nicht nur schweineheiß, sondern auch extrem schwül. Wir waren tatsächlich im heißesten Monat des Jahres in diesen Moloch gereist, eine Tatsache, die uns noch das ein oder andere Mal körperlich an unsere Grenzen bringen sollte. Die Luftfeuchtigkeit kombiniert mit einem des weltweit größten Smog-Aufkommens brachte einen sofort zum Schwitzen, wenn man morgens aus der Tür trat, die täglichen Schweißausscheidungen waren echt enorm, gerade weil wir uns ja die meiste Zeit auf den Boards bewegten und ich dann auch noch von Natur aus viel und reichlich schwitze.

Für mich hatte die Hitze außerdem einen ganz entscheidenden Nachteil beim Skaten, denn ich fahre ziemlich weiche Lenkung in Kombination mit 60mm Rollen, tja, und wenn es derartig heiß ist, fühlt sich das manchmal an, als skatet man auf Brei, da hilft bei butterweichen Lenkgummis auch kein Achsen anziehen, und versucht mal, in China härtere Lenkgummis zu kaufen, viel Glück! Soll heißen, ich habe ständig Wheelbites gekriegt, die mich unerwartet zu Boden geworfen haben, an einigen Stellen im Video sieht man das ganz gut. Diese Slams waren allerdings nicht besonders gut für meinen eh schon sehr ausgeprägten Swellbow am linken Arm, der wirklich Ping Pong Ball-ähnliche Ausmaße annahm, kombiniert mit Schweiß und Blut ein gruseliger Anblick. Ja, und wenn dann jemand in den überfüllten U-Bahnen aus Versehen gegen meinen Ellenbogen stieß und ich zischelnd zusammenzuckte, nahmen diese Personen auch ganz schnell mit großen Augen Abstand von mir, wenn ich nur den Arm hochhielt.

Flensbufg represent! Sehr schön zu erkennen unten rechts mein lecker Swellbow…

Wir wohnten also irgendwo hoch oben in einem der unzähligen Wolkenkratzer ein paar Bahnstationen vom Stadtzentrum entfernt bei Lucas in seiner geräumigen Wohnung zusammen mit seiner Freundin Alex (sie sind inzwischen verheiratet und haben sogar Nachwuchs), einer flotten und äußerst liebenswerten Französin, die zudem Chinesisch spricht, was natürlich bei einigen organisatorischen Dingen von immensen Vorteil ist. Die beiden haben sich in Shanghai kennengelernt, weil mensch sich dort als Western People einfach früher oder später über den Weg läuft, Lucas arbeitet dort übrigens an einer deutschen Grundschule. Is` klar, in einer Metropole mit 22 Millionen Einwohnern (plus einer offiziell hoch geschätzten Dunkelziffer) und u.a. dem größten Hafen der Welt, gibt es natürlich auch reichlich ausländische Einwohner, die da arbeiten und sich zum Teil dumm und dämlich verdienen.

 

Schön gepflegt auf Halde…
Andi verarbeitet über Nacht seine Eindrücke….

So gesehen ist Shanghai durch seine schlichte Größe und einer übertriebenen Üppigkeit an allem einfach nur beeindruckend. Schon vor sechs Jahren gab es dort mehr als tausend Wolkenkratzer mit mehr als hundert Stockwerken, es dürften inzwischen nochmal deutlich mehr sein. Und ja, wer Wolkenkratzer gucken will, wird in Shanghai wirklich bestens bedient, dort gibt es ein paar der höchsten und eindrucksvollsten auf der ganzen Welt…

Die Stadt ist ja erst in den nicht mal letzten drei Jahrzehnten derartig gewachsen, so daß alles hochmodern ist mit zuweilen einzigartiger und wie auf Skater zugeschnittener Architektur, einfach ein schier unausschöpfliches Spotparadies mit Curbs und Ledges an jeder Ecke. Dazu kommt, daß die Straßen und Gehwege in der Regel äußerst großzügig gebaut sind und man so trotz der vielen Menschen super easy von Spot zu Spot skaten kann, wobei man die Größe der Stadt natürlich immer vor Augen hat, deswegen war es immer sehr geil, wenn Lucas uns alle mit seinem Elektroroller von Spot zu Spot gezogen hat. Und zumeist perfekte Spots sind einfach überall zu finden und der Bust-Faktor ist low, um es mal im Ghetto-Slang zu formulieren. Außerdem ist alles schön sauber, denn wie es scheint, geht in China jeder Mensch irgendeiner Art von Arbeit nach, und sei es nur als StraßenfegerIn, wo es nichts zu fegen gibt. Die Chinesen sind in der Tat alle irgendwie immer emsig beschäftigt…

Autoachterbahn…
VIel Spaß beim Ausladen…
Sicherheit wird auf chinesischen Baustellen, ganz besonders groß geschrieben…
Unterhosen statt Gardinen…
Eindeutiges Falschparken…
In Schildern können die Chinesen auch echt gut…

Für uns hätte es auf jeden Fall nicht besser laufen können, wir hatten die besten Tourguides und brauchten uns um nichts Sorgen machen, außer es uns gut gehen zu lassen und möglichst viel zu skaten. Dabei half Alkohol auf jeden Fall, um sich nicht komplett von der Hitze lähmen zu lassen, Gras, eigentlich gefährlich illegal in China, hatten wir eigentlich auch immer am Start, es gab da so `ne Connecke, wo man das per Post nach Hause bestellen konnte, yeah! (Da gab es auch ein paar Szenen in unserem Clip zu, aber die hat Rasmus tatsächlich noch rausgeschnitten vor`m Hochladen, voll nich` real, ey!) Und letztendlich ist alles in China verglichen mit Europa ziemlich billig, gut, Alkohol kostet in etwa dasselbe wie in Deutschland und ausländische Produkte wie z.B. anständiger Käse sind natürlich auch etwas teurer und nicht überall zu haben. Dafür kriegt mensch in China nahrungstechnisch natürlich auch einige Sachen, die mensch vielleicht lieber nicht haben möchte, die berühmten getrockneten Hühnerkrallen als Zwischendurchkausnack vorne an der Supermarktkasse, wo bei uns die Last-Minute-Schokoriegel stehen, sind da nur das I-Tüpfelchen. Erik als überzeugter Fleischesser hat sich da kulinarisch durch einige Ersterfahrungen gewagt…

Die 2nd World War Edition von Pabst Blue Ribbon, für einfach mal zwischendurch…
Belgisches Bier mitten in China, da lacht der Landsmann…

Und wo wir schon dabei sind, also wenn mich jemand fragt, was mir in China am besten gefallen hat, dann sage ich immer wieder, außer den Spots ganz klar das Essen, einfach das Street-Food an den unzähligen Ständen und kleinen oft sehr improvisierten Restaurants. Mit dem ganzen verschiedenen Tofu-Kram, so wie ihn nur Chinesen machen können, ist es für Vegetarier und Veganer ein reines Paradies. Am besten ist es, wenn man sich mit ein paar Leuten einen eigenen Grill auf den Tisch stellen läßt, so wie wir es meistens gemacht haben, und sich dann in kleinen Schüsselchen das Gemüse, Tofu oder auch fertige Spieße seiner Wahl bestellt und selbst grillt. Boah, diese Mahlzeiten waren wirklich unglaublich und, das Beste daran, auch saubillig, wir waren ja meistens zu sechst los, und alle pappensatt gefuttert plus jeweils drei, vier Bier macht 20,- Euro, einfach unschlagbar.

Jeden Abend Festmahl vom Feinsten…

Wir sind dann in der ersten Woche auch für vier Tage mit dem Zug nach Peking gefahren, wo wir dann in einem Hostel in der authentischen Altstadt gewohnt haben. Peking ist nicht ganz so modern wie Shanghai und natürlich historisch mit einigen Touristenattraktionen versehen, so daß wir uns dort eher auf Sightseeing als aufs Skaten konzentrierten. Alex besorgten wir einen Roller, damit sie mit uns durch die Stadt cruisen konnte, und auch sonst machten wir so einige Souvenirschnäppchen. Ein Besuch bei der Chinesischen Mauer durfte natürlich auch nicht fehlen und wir buchten extra eine Tour an eine etwas entlegenere Stelle, die nicht so touristenüberladen sein sollte, was sich als absolut richtige Entscheidung entpuppte. Und ich sag` mal so, die Chinesische Mauer ist etwas, daß mensch ruhig mal gesehen und erlebt haben darf, einfach nur beeindruckend diese mächtige Mauer endlose tausend Kilometer durch den chinesischen Busch, eine wahrhaft unglaubliche Bauleistung. Ich bin froh, in meinem Leben schon an manch einem solcher ikonischen historischen Orte gewesen zu sein, das beweist einem immer, wie unbedeutend ein einzelnes Menschenleben eigentlich ist, aber wie viel viele Menschen bewegen können, wenn sie an einer gemeinsamen Sache arbeiten. Also wenn mensch in China ist, gehört die Mauer ohne Frage zu den Hauptattraktionen, die mensch besuchen sollte, die faßt den chinesischen Ehrgeiz und zuweilen Wahnwitz ganz gut zusammen.

Mauer…
Noch mehr Mauer…
Hier wohnt Regierung…
Bordsteine dieser Welt, irgendwo in Peking…
Sightseeing per Tretboot…

Zurück in Shanghai ging es munter weiter mit Skateboardfahren, viel was anderes haben wir zumindest in den ersten beiden Wochen nicht wirklich gemacht. Wir lernten dann auch Juhani kennen, Lucas Homie vor Ort, ein finnischer Skater, der in Shanghai für eine Windenergie-Firma arbeitet. Juhani ist klein und kompakt gebaut und eine wahre Skatemaschine, er erzählte mir dann auch, daß er Mitte der `90er ein paar Mal den Mastership in Münster mitgefahren ist und gar nicht so schlecht abgeschnitten hat, und ich lüge nicht, wenn ich sage, daß ich mich als damaliger Zuschauer tatsächlich an ihn und sein konsistentes technisches Skaten erinnern konnte. Witzig, sich dann 20 Jahre später in Shanghai kennenzulernen, hach ja, die liebe Skateboardwelt… Juhani ist jedenfalls ein super Typ und ich werde nie vergessen, wie wir den einen Abend bei Lucas zusammen gefeiert und die alten Hits von NOFX, Millencolin und No Fun At All mitgesungen haben.

Ein feiner Kerl aus Finnland – Juhani…

Natürlich waren wir auch einmal im größten Skatepark der Welt, dem SMP Park am Stadtrand, wo man gut eine Stunde mit der Bahn hinfahren muß. Aber nicht nur deswegen waren wir nur einmal da, denn ich kann für mich sagen, daß das eine der schlimmsten Sessions meines Lebens war, einfach durch dieses maßlose Überangebot an skatebarem Beton, das überhaupt nicht genutzt zu werden scheint. Ich bin nun eh kein Freund von allzu großen Skateparks, weil sich darin immer alles so verliert, und ich finde eher, dann sollte man lieber mehrere kleine bauen. Aber der SMP Park ist wirklich lächerlich, was das angeht, gefühlte zwei Fußballfelder nichts als Beton, riesige Street-Geschichten und acht verschiedene Bowls, einer verrückter als der andere. Designed wurde der Park von den Australiern von Convic Skateparks, die in ihrem Heimatland für die hochwertigsten und kreativsten Parks bekannt sind, und ja, man sieht richtig, wie die Jungs im Sinne von ‚Geld und Platz spielt keine Rolle‘ sich all das ausgedacht haben, was man schon immer mal bauen wollte, wenn denn das Budget keine Rolle spielt, ein Bowl mit zwei Cradles oder auch zwei Oververt-Extensions gegenüber, eine gigantische Fullpipe, die mit einer kleinen Fullpipe mit dem größten der Bowls verbunden ist… Ich denke, Bilder sagen mehr als Worte, seht euch einfach mal die Photos an!

Tja, und als wir da am Park ankamen, meinte der Typ am Eintritt noch, daß es heute voll sei, dabei waren außer uns dann nur noch drei chinesische Kids am Start, die sich bald vom Acker machten, so daß wir den ganzen Park für uns alleine hatten, bis so ein englischer Vertfahrer auftauchte und einsam seine Bahnen in der gut hundert Meter breiten -Metall-Halfpipe zog. Er erzählte uns, daß er jedes Jahr mindestens einmal nach Shanghai kommt, wo er dann in der Wohnung eines Freundes wohnen kann, nur um diese Halfpipe zu fahren, wenn er Glück hat, kommt auch mal einer seiner Kollegen mit, so daß er nicht immer alleine fahren muß. So versuchte er sich dann weiterhin eisern an Fs Heelflip Fs Grab über den riesigen Channel, und nicht mal Erik, der ausgerechnet an diesem Tag auch nicht so gut drauf war, hat sich an die Halfpipe rangetraut, aber es gab eben auch zu viel anderes zum Ausprobieren.

Und ja, genau das ist das Problem dieses Skateparks, es gibt einfach zu viel und das meiste davon ist rein größentechnisches absolutes Pro-Niveau. Das gilt allerdings nicht für die eigentliche Qualität der Anlage, denn glaubt mal nicht, der Park wurde über fünf Jahre hinweg von einem Dutzend fleißiger Australier gebaut. Nein, hier waren hunderte von Chinesen am Werk und haben das Ding aus dem Boden gestampft und dementsprechend ist der Park auch ‚Made in China‘ und an guten Materialien wurde sichtlich gespart. Ich mein`, als wir dort waren, war der Park gerade mal sieben Jahre alt, sah aber an vielen Stellen aus wie dreimal so alt. Überall Risse und abgeplatzter Beton, das Coping von der Halfpipe war zur Hälfte komplett durchgerostet, also insgesamt wirklich eine trostlose Atmosphäre im größten Skatepark der Welt, zu krass ist halt einfach zu krass, um es mit einem beliebten Tourspruch zu beschreiben.

Gleich bei Lucas vor der Haustür gab es auch noch den Top Toys Skatepark, in den wir uns zwei-, dreimal kurz verirrten, eine üppige Ansammlung an Stahlrampen, die ebenfalls X-Games-mäßige Ausmaße hatten. Dort begegneten wir dann auch tatsächlich mal einheimischen Skatern, aber letztendlich ist die Skateszene in China noch verschwindend klein, aber ich bin mir sicher, das wird sich bald schlagartig ändern, denn wenn die Chinesen einmal was für sich entdeckt haben, gibt`s kein Halten mehr, in keinem anderen Land ist mir das jemals so bewußt geworden, und genau dafür sind sie ja auch bekannt, die Chinesen. Also ahnt meine Voraussagen, da wird es bald Skatemaschinen im Yuto Horigome-Style geben, und zwar Milliarden von denen!

Erik mit einem routinierten Fs Tucknee Transfer im Top Toys Skatepark. Ph: Rasmus

Daher ja auch diese gigantische Stadt mit ihren zig Superlativen, ist aber auch alles nur made in China, und da die Stadt im Mündungsgebiet des Jangtsekiang liegt und angeblich pro Jahr einen Zentimeter absackt, würde es mich nicht wundern, wenn das alles irgendwann mal wie ein Haufen Bauklötze in sich zusammenfällt. Einmal, als wir gerade mal auf einer der unzähligen Ledges Pause machten, stieß ich mit meiner Hacke aus Versehen leicht gegen eben diese Ledge und prompt fiel mir beinahe eine ganze Granitplatte auf die Füße, die war also quasi nur drangeklebt. Und in der Ledge drin alles hohl, maximal drei Zentimeter Beton Wandstärke, also Leichtbauweise genau wie auch alles aus Plastik, wofür China bekannt ist. Solltet ihr mal da sein, braucht ihr euch auch gar nicht von den superbilligen Sneaker- und Skateschuh-Replikaten in Versuchung bringen lassen. Sieht alles aus wie echt, ist aber qualitätsmäßig einfach unter aller Sau und definitiv nicht gut für die Füße, gerade wenn man den ganzen Tag auf diesen verbringt. Das einzige, was wirklich taugt und durch unübertreffliches Preis-/Leistungsverhältnis als absolutes Mitbringsel zu empfehlen ist, sind original chinesische Winkekatzen, natürlich solarbetrieben und wahlweise in Weiß oder Gold, die kommen auch im Dutzend billiger, so daß Rasmus und ich uns gut eingedeckten. Und meine Winkekatze zu Hause in meiner Hütte, ebenso wie die von meinem Vater im Wohnzimmerfenster, winkt und winkt und winkt, sobald das Tageslicht zum Vorschein kommt. Wußtet ihr, daß die Katzen symbolisch für ‚Bring` Geld herein!‘ stehen und genau deswegen auch in jedem chinesischen Geschäft oder Dienstleistungsbetrieb gut sichtbar platziert sind!? Na klar steht dann so eine auch bei mir zu Hause an der Eingangstür, immer her mit mehr!

Im Gros billiger…

Lucas hatte auch erzählt, daß er schon Läden gesehen hatte, wo man detailgetreue Actionfiguren vom Führer, Göhring oder Goebbels kaufen könne, und bei aller Liebe zum Antifaschismus (ich bin so weit von rechts, wie man nur sein kann), darauf war ich ganz besonders scharf. Vielleicht sollte es so sein, daß ich keinem Laden begegnete, wo ich mich mit diesen Abartigkeiten hätte eindecken können, dann entdeckten wir selbstredend am allerletzten Abend des Nachts ein solches Schaufenster, doch der dazugehörige Laden war natürlich geschlossen. Lucas hat es irgendwie nie hingekriegt, da nochmal hinzugehen und mir wenigsten zwei, drei Figürchen zu kaufen, eigentlich bist du mir auch noch einen ‚I love SH‘ Pulli schuldig, gell, Bruder!?

Exquisite Sammlerstücke made in China…

Rasmus hatte sich derweil mit allerlei technischem Krams eingedeckt, u.a. mit einem kleinen ferngesteuerten Hubschrauber für umgerechnet 12,- Euro oder so, der nach Feierabend für einiges Vergnügen in der Wohnung sorgte. Rasmus war sowieso gut drauf und lebendig, wie ich ihn seitdem nicht mehr erlebt habe, er war ja auch gerade Single. Wir zwei Hübschen haben dann tatsächlich auch einmal eine Nacht durchgefeiert, was in Shang-Shang-Shanghai gar nicht so einfach ist, denn so viele Menschen, wie dort auch wohnen, so bescheiden ist doch das Nachtleben. So waren wir einmal in einem Club, wo zur Hälfte, ich sag` mal, weiße BesucherInnen waren, der machte allerdings schon um Zwei zu, und während die anderen mit Taxi nach Hause fuhren, landeten Rasmus und ich noch auf einer mysteriösen Party irgendwo in einem fünfzigsten oder höheren Stockwerk, wo man aus dem Fahrstuhl direkt in eine Art Penthouse ging. Das war natürlich eher was für gehobenere Leute und es ist bis heute komisch, warum wir zwei rotzbesoffenen Skater Teil davon waren, aber ja, als Weißer kommst du in Shanghai scheinbar mit allem durch.

Dream bigger, love deeper, live harder… Word.
Rasmus hat sich mit gefakten Rolex eingedeckt…

Als Andi dann abreisen mußte, wurde es auch deutlich ruhiger bei uns, wir waren alle gut geschlaucht nach zwei Wochen mehr oder weniger durchskaten. Da paßte es dann auch ganz gut, daß es mal drei Tage durchregnete, so nutzen wir die Zeit für das ein oder andere Museum – gerade Erik war da kulturell sehr interessiert und zog auch mal alleine los – und um unsere Knochen für den Endspurt zu regenerieren. Zum Glück hatten wir Internet, denn das ist in China auch nicht so selbstverständlich, so sind für die Einheimischen tatsächlich viele Seiten wie Youtube gesperrt, keine Ahnung, ob das heute immer noch so ist, aber wie man aus Hong Kong so mitkriegt sind ja wahrlich zu Recht nicht alle Chinesen zufrieden mit ihrer Regierung. Erik hatte jedenfalls ein unerschöpfliches Repertoire an lustigen Clips und Stand-up Comedians parat, so daß wir uns von einem Lachanfall in den nächsten stürzten, das Ganze ungefähr drei Tage lang. Erinnert mich im Nachhinein immer wieder an den einen verregneten Mystic Cup in Prag zu BOARDSTEIN ZEITEN, wo wir zwei Tage lang auch hauptsächlich uns kaputtlachend im Hostel abhingen, und zwar mit der gesammten HZW Mischpoke!

Jaja, wir hatten wie gesagt rundum eine gute Zeit, was gibt es denn sonst noch Erwähnenswertes zu erzählen? Also was mich auch immer wieder beeindruckt und zuweilen auch gerührt hat, waren die Chinesen an sich. Da die ja größtenteils in winzig kleinen Wohnungen wohnen, spielt sich halt viel von dem alltäglichen Leben, gerade nach Feierabend, draußen ab. So sieht man abends immer wieder auf irgendwelchen großen Plätzen Dutzende von Pärchen tanzen, ganz banal auch ohne irgendeinen Anlaß an einem Mittwochabend. Irgendjemand stellt dann eine Boom-Box auf und läßt den Walzer erklingen und die Nachbarschaft trifft sich zum Tanzen, das ist wirklich rührend und so herrlich unverkrampft, wie in Europa unvorstellbar. Morgens trifft mensch sich dann zu Hunderten in den Parks oder auch einfach nur am Straßenrand zum gemeinsamen Schattenboxen, Tai Chi oder Qi Gong, was mich als Yoga-Mensch natürlich besonders fasziniert hat. Wie gesagt, die Chinesen sind sehr ehrgeizig und diszipliniert, und sie haben einfach einen eigenen Style in allem, und wenn ich Saxophon oder Karaoke üben will und das zu Hause nicht kann, stell` ich mich halt einfach auf die Straße.

Feierabend in Shang-Shang-Shanghai
Street-Art auf Chinesisch…
Pimmelmütze und Geometriebrille, Style made in China…
Ohne Worte…

Sowieso haben die Chinesen modisch einen ganz eigenen Style und supergeil sind auch die ganzen englischen T-Shirt-Sprüche, die einem auf der Straße so begegnen und bei denen man sich denkt ‚Ey, du kannst gar nicht wissen, was auf deinem Shirt steht, das ergibt nämlich gar keinen Sinn‘. Zusammen mit Andis gebrochenem und eingedeutschtem Englisch („I must learn Ollie“) kam ich auf jeden Fall beim Notizen machen gar nicht hinterher und Rasmus hat unsere und die genannten T-Shirt-Sprüche auch sehr pfiffig in den Clip, dessen Link ich euch jetzt endlich verraten werde, mit eingebaut. Wie gesagt, ich finde diesen Clip wirklich sehr gelungen, gerade jetzt wo ihr auch die Geschichte dazu kennt. Nehmt euch `ne halbe Stunde Zeit, lehnt euch zurück und macht es euch gemütlich, am besten mit `ner kalten Flasche Tsingtao (der göttliche Soundtrack im Video stammt übrigens von DJ BOARDSTEIN!):

https://vimeo.com/385848705

Und ey, wo wir schon dabei sind, Rasmus und ich haben seit über drei Jahren an einer Dokumentation über die Flora Bowl Locals gearbeitet, mehr als 30 Interviews gemacht und alte Bilder und Aufnahmen über die Entstehungsgeschichte des Flora Bowls zusammengesammelt. Diese Doku soll jetzt eigentlich spätestens bis zum Sommer fertig sein, da Rasmus die auch bei einem Hamburger Dokumentarfilm-Festival einreichen will. Somit werdet ihr die leider frühstens im Spätsommer zu sehen bekommen, weil man da nur Sachen einreichen darf, die noch nicht öffentlich gezeigt wurden, aber auch dazu gibt es schon einen Trailer auf Vimeo, und zwar genau hier!. Das wird auf jeden Fall eine interessante Sache, gerade für alle, die wie ich ein paar Jahre ihres Lebens am Flora Bowl verbracht haben. Fakt ist jedenfalls wie schon öfters erwähnt, daß mir Langweile fremd ist, dafür gibt es viel zu viele Projekte und Ideen, die ich noch verwirklichen, viel zu viele Wünsche, die ich mir noch erfüllen, und viel zu viele Länder, die ich noch gerne bereisen will. Das Leben ist bunt und vielfältig, umarmt es in all seinen Facetten! Volle Kanne, Hoschi!

Auf dann irgendwann,
Arne

Shang-Shang-Shanghai abgehakt…

P.S.: Ehrlich gesagt hätte ich tatsächlich Bock, nochmal nach China zu fliegen, solange das mit dem Streetskaten bei mir noch ganz gut klappt. Es gibt da ja noch wesentlich mehr gigantische Städte wie Shanghai und zudem noch ein paar solcher Geisterstädte, die mal gebaut, aber nie bewohnt worden sind, das muß `ne abgefahrene Atmosphäre sein, dort zu skaten…

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