LESEN HILFT NICHT NUR GEGEN LANGEWEILE…

Hallo, liebe Leute!

Jaaa, man sollte meinen, in diesen Zeiten hat man genug Zeit und Material, um sich die Seele aus dem Leib zu schreiben, das ist eigentlich bei mir auch so, andererseits weiß ich nicht so recht, wie, wo und womit ich anfangen soll. Denn auch mein Kopf ist natürlich voll mit Gedanken in Richtungen, wie man sie vorher noch nicht mal geahnt hat, oder immer schön verdrängt!? Fakt ist, ich bin seit einer Woche wieder zu Hause im heimischen Garten in meiner kuscheligen Hütte, und ihr glaubt gar nicht, wie froh und glücklich ich gerade jetzt bin, so ein tolles Zuhause zu haben. Besser kann mensch in diesen Zeiten wohl nicht aufgehoben sein, das Wetter tut sein Übriges, und ja, so wie es aussieht, werde ich seit Jahrzehnten mal wieder den ganzen Frühling über zu Hause sein, zumindest was das angeht ein kleines Hipp Hipp Hurra von mich!

So habe ich gerade gestern die freudige Nachricht erhalten, daß ich, wenn sich die Lage nicht noch dramatischer ändern sollte, wie geplant Ende des Monats anfangen kann, in Glücksburg weiterzubauen, wie angedacht ganz gemächlich alleine, so gesehen stehe ich wohl bis Juli erstmal in Lohn und Brot und habe eine große Sorge weniger. Und ja, ansonsten bin ich natürlich genauso schlau wie wir alle, was denn die Zukunft bringen wird und wann wir wieder halbwegs in die Normalität zurückkehren können. Aber ich denke wann auch immer, eines kann man mit Sicherheit sagen, die Welt wird danach nicht mehr dieselbe sein…

Letztendlich war die Situation, die wir jetzt haben, überfällig und ich habe damals im BOARDSTEIN schon darüber geschrieben, daß ich nur darauf warte, daß eine Seuche – oder nennt es von mir aus Pandemie, da gibt es ja wissenschaftliche Definitionen, über die ich mich sicherlich nicht hinwegsetzen will – die Menschheit mal in ihre Grenzen weisen wird. Und ich habe natürlich nicht drauf gewartet im Sinne von ‚herbei gesehnt‘, aber wirklich überraschen tut mich die derzeitige Situation nicht wirklich, Denn da kann mensch sich ganz einfach auf Mutter Natur verlassen, die hat schon immer für ihr eigenes Gleichgewicht gesorgt, auch wenn sie sich mit dem Geschwür Menschheit zugegebener Maßen etwas schwer tut, um nicht zu sagen Zeit läßt. Aber ja, auch dazu habe ich schon in BOARDSTEIN ZEITEN mehr als genug geschrieben, dieser Planet hat bei unserem Lebensstandard ein massives Problem mit Überbevölkerung, und das ist in den letzten zwanzig Jahren ganz sicher nicht besser geworden. Doch das, was ich gerade angesprochen habe, hab` ich selbst in frühester Kindheit hier auf dem Land gelernt, denn wenn es z.B. einen Sommer eine Kaninchenplage gab, dann gab es früher oder später die passende Krankheit/Seuche dazu und der Bestand hat sich wieder normalisiert. Das hat die Natur eigentlich seit jeher immer ganz gut im Griff gehabt, das Problem bei uns ist halt nur, daß wir uns dank unseren Gehirnen in Kombination mit aufrechtem Gang und den uns gegebenen Daumen gegen vieles wehren können.

Irgendwie nützen da auch irgendwelche Verschwörungstheorien gar nichts, mögen sie noch so plausibel sein, denn hausgemacht ist das Problem Corona wohl ohne Frage, ich sage mal so: Das haben wir nun davon mit unserer tollen Globalisierung GmbH und Co.KG. Ich finde einfach, wir sollten dankbar sein, daß dieser Virus nicht tödlicher ist, obwohl wohl genau das nötig wäre, um die Menschheit mal auf ein gesundes Maß zu reduzieren. Wie auch immer die nächsten Monate und Jahre ablaufen werden, ich sehe in der momentanen Situation, die nun mal zwangsläufig viel Zeit für Spekulationen und Gedanken bietet, vor allem die Chance, und sogar ein kleines bißchen Hoffnung, daß zumindest ein Teil der Weltbevölkerung – und damit meine ich vor allem den, dem es so gut geht, weil es den anderen so schlecht geht – vielleicht wenigstens ein stückweit zur Vernunft kommt. Das Stichwort ist ‚Demut‘ und die längst überfällige Erkenntnis, daß es so eben nicht weitergeht und daß der Mensch nur so klein mit Hut ist, wenn es darum geht, sich eben mit Mutter Natur anzulegen. Damit einher geht zu erkennen, wie fragil unsere tolle Weltwirtschaft und auch unser Gesellschaftssystem ist, weil alles eben auf Werten basiert, die mit eigentlichem Leben nichts mehr zu tun haben, und da kann sich jede(r) an seinen/ihren Hut fassen, die einen mehr, die anderen weniger.

Ich mein`, ein positiver Nebeneffekt des Ganzen ist doch, daß mensch gerade sieht, daß es auch anders geht, nehmen wir ein banales Beispiel aus der Politik: Vor gut zwei Wochen wollte Schleswig-Holstein die Abi-Prüfungen für dieses Jahr absagen, keine zweieinhalb Tage später haben sich alle 16(!) Bundesländer darauf geeinigt, diese (unter was für Umständen auch immer) doch stattfinden zu lassen, ja guck`, geht doch! Hilfspakete werden geschnürt, die Parteien früher noch mit in den nächsten Wahlkampf genommen hätten, das ist Endbürokratisierung vom Feinsten, und das stand schon auf Wahlplakaten, als ich das erste Mal wählen durfte!

Das gleiche mit Home Office, vielleicht sollten wir jetzt die Lage erkennen und nutzen, daß mensch z.B. eben doch nicht jeden Tag ins Büro fahren muß – oder noch schlimmer um die Welt jetten! Sind das nicht gewaltige Chancen, etwaige Klimaversprechungen bzw. vorhaben, vielleicht doch noch einzuhalten!? Und wäre es nicht ebenfalls zu wünschen, daß die Menschen wieder mehr Zeit zu Hause und mit ihren Familien haben!? Ich mein`, zum Glück habe ich keine Kinder und ich habe einen heiden Respekt vor allen Familien, die die derzeitige Lage irgendwie gewuppt kriegen (müssen), aber ich stell` mir das so ein bißchen wie eine Reset-Taste vor, entweder gibt es einen gelungenen Neustart oder der Rechner fährt nicht mehr hoch, das gilt irgendwie für jede einzelne Familie als auch für die ganze Gesellschaft, oder!?

Und ja, die zu erwartende Rezension, herrjemine! Jammern auf viel zu hohem Niveau sage ich. Klar ist die Lage scheiße für viele Menschen – mich letztendlich eingeschlossen – die entweder jetzt schon oder allzu bald um ihre wirtschaftliche Existenz bangen müssen. Aber, so paradox es auch klingt, vielleicht wäre das ja jetzt mal der richtige Zeitpunkt (bzw. wenn wir wieder dürfen) auf die Straße zu gehen und dafür zu sorgen, daß die Oberen Zehntausend, die bekanntlich viel viel viel mehr haben, als sie jemals ausgeben werden können, für diese Krise gerade stehen, nicht weil sie sie verursacht haben, aber weil sie (wie immer!) als einzige Gewinner aus dem Ganzen hervorgehen werden. Und das ist ein Ansatz, bei dem ich ohne Frage auch ein offenes Ohr für die ein oder andere Verschwörungstheorie habe, und wer bis heute glaubt, am 9.11.2001 sind einfach nur ein paar wahnsinnige Taliban in das World Trade Center (Pentagon wird dabei gerne vergessen) geflogen, dem/der ist eh nicht zu helfen…

Seit ich aus der Pubertät raus bin und durch Punkrock und Skateboarding die Welt für mich begriffen habe, bin ich der festen Überzeugung, daß ich den Untergang der Menschheit noch mit erleben werden, wie auch immer der von statten gehen mag. Und wenn ich mir nur die letzten 44 Jahre angucke, seit denen ich auf diesem Planeten leben darf, spricht wirklich nichts dagegen, ‚Highway to hell‘ trifft es vielleicht ganz gut, mit Vollgas ins Verderben… Deswegen ist es um so wichtiger, gerade in der westlichen Welt, sich jeden Tag des Privilegs bewußt zu werden, in dem wir leben und jeden Tag irgendwie zu nutzen. Dazu gehört auch Faulsein, wenn die Seele es braucht, der Mensch muß nicht immer nur schaffen schaffen schaffen…

So gesehen wird es zum Thema ‚Faulsein für Fortgschrittene‘ vermutlich demnächst hier öfter irgendwelche Buch-Rezensionen von mir geben, erstens weil hier noch ein paar Bücher auf meinem Schreibtisch liegen, die ich (euch) gerne noch weiterempfehlen möchte, bevor ich sie erstmal ins Regal stelle. Und zweitens weil jetzt gerade eine hervorragende Zeit ist zu lesen, denn auch das heißt ‚zu sich kommen‘. Zur Inspiration, Unterhaltung oder einfach nur gegen Langweile muß nicht immer ein Bildschirm eingeschaltet sein, es ist noch nicht mal zwei Jahrzehnte her, daß diese dem bedruckten Papier Vorzug erhalten haben. Und damit möchte ich nicht pseudo-intellektuell oder sonstwas rüberkommen, aber alleine mir fallen wirklich haufenweise Bücher ein, die jede(r) mal gelesen haben sollte, denn Lesen bildet, und wenn wir eins gut gebrauchen können in diesen Zeiten, ist es Bildung, oder!?

Was nicht heißen soll, daß im Internet nur scheiße steht, da wäre ich als voll angesagter Blogger ja schön doof, wenn ich das behaupten würde, obwohl ich das Prinzip des abzusägenden Astes, auf dem man sitzt, nie ganz verstanden habe. Was ist daran verkehrt, mal ordentlich auf die Schauze zu fallen!? Klar, dafür mußt du auch wieder hochkommen, aber das kann mensch lernen, und ja, ‚Lernen‘ ist ein weiteres wichtiges Stichwort für unsere heutige Zeit, bzw. ich finde, ihm sollte wieder mehr Bedeutung beigemessen werden. Lernen kann mensch aber nur, wenn mensch sich mal aus seiner kleinen Kuschelpuschelwelt hinaus wagt, um in welcher Form auch immer neue Grenzen zu beschreiten. Mal abgesehen vom Reisen, welches gerade nicht stattfinden kann, aber welche Situation wäre sonst besser dafür geeignet als so ein Ausnahmezustand, wie wir ihn jetzt gerade haben und meines Ermessens nach noch ein ganzes Weilchen “erdulden“ werden müssen!?

Aber ich will euch nicht auch noch mit mehr Corona-Gedanken-Scheiß nerven, als ihr sowieso täglich abbekommt, auch wenn ich logischerweise wohl nicht ganz da darum herumkomme, aber apropos ‚erdulden‘, denn was das Wort angeht, habe ich einen passenden und guten Buchtip für euch! Doch vorher möchte ich euch noch kurz mal erzählen, wie ich überhaupt zu den meisten Büchern, die ich so lese, komme, wenn ich sie mir nicht gezielt im Fachgeschäft oder eben Internet besorge. Und zwar ist es nun schon fast zwanzig Jahre her, damals hat meiner Mutter sogar noch gelebt und eigentlich hat sie das Ganze auch ins Leben gerufen, daß wir vorne an unserer Einfahrt zu unserem Haus einen kleinen Bücherflohmarkt aufgebaut haben. Das Ganze war inspiriert von unserem einstigen Nachbarn in Habernis, Bretter Jensen, dessen Frau, Lehrerin, auch immer in einem Regal an der Hofeinfahrt gelesene Bücher verkauft hat. Und damit hat meine Mutter dann kurz vor ihrem Tod auch angefangen und mein Vater hat das Ganze in den letzten 15 Jahren quasi perfektioniert.

Hatten wir damals noch einen kleinen Plastikspind stehen, den man morgens und abends aufmachen mußte, wenn das Wetter es zuließ, hat sich mein Vater vor schon über zehn Jahren eine alte Telefonzelle besorgt, diese postgelben Hartplastikdinger, und diese mit Regalen ausgestattet, so daß seitdem der Verkauf völlig unabhängig vom Wetter stattfinden kann, und das Ganze in der dunklen Jahreszeit sogar beleuchtet! Als ich vor fünf Jahren wieder nach Hause gezogen bin, konnte ich Herrchen dann auch klarmachen, daß er die Zeitschaltuhr für das Licht ruhig ein bißchen drosseln könne, denn im Winter abends um Neun verirrt sich ganz sicher kein Nachbar in unsere Zelle, um schnell nochmal ein Buch zu kaufen. Man sollte die hart verdienten Taler nicht direkt wieder in Stromkosten verpulvern…

Dabei ist das Ganze natürlich auch weniger für Nachbarn gedacht, als für Vorbeireisende und vor allem Touris, wie wir auch hier vielleicht ein wenig verächtlich die Touristen nennen, die uns das ganze Jahr über beschert sind, im Sommer natürlich deutlich mehr als im Winter. Aber ja, bei 0,50 Cent pro Buch läuft das Ganze seit jeher recht gut, und Bücher gab es in unserem Haushalt schon immer mehr, als mensch lesen kann. Natürlich sprach sich dann damals in besagter Nachbarschaft wiederum schnell rum, daß mensch gelesene Bücher am besten bei Familie Fiehl entsorgen kann, wenn mensch sich zu schwer tut, sie wegzuschmeißen. Somit haben wir inzwischen einen fast schon ungesunden Vorrat an Bananenkisten voll mit Büchern auf dem Dachboden, und in den letzten Jahren mußte ich Herrchen erstmal beibringen, daß und was er davon auch getrost wegschmeißen kann, denn zum Beispiel Reiseführer und Computerratgeber von anno dazumal wird niemals nicht auch nur irgendeiner kaufen, und seien sie noch so gut erhalten. Das gleiche gilt letztendlich für alles mit altdeutscher Schrift, sowas ist einfach nicht mehr upto date, wie der Ami sagen würde.

Ich muß sagen, ich bin beim Aussortieren und letztendlichem Wegschmeißen noch deutlich rigoroser als Herrchen, aber ich will ihm auch nicht zu oft und zu doll dazwischenfunken, schließlich ist dieses ganze Geflohmarkte auch ein wichtiges Hobby von ihm. Ich mein`, ich als Schreiber tue mich auch unheimlich schwer damit, ein Buch wegzuschmeißen, aber manchmal darf es dann wohl auch sein. Nichtsdestotrotz macht mein Vater jedes Jahr durchschnittlich gut 400,- Euro mit seinem Bücherflohmarkt, das mag nach nicht viel klingen, aber das sind immerhin 800 Bücher, die nicht weggeworfen worden sind, sondern den Besitzer gewechselt haben! Und das ist halt Herrchen`s Welt, vor allem wenn man mit den Käufern im Idealfall noch einen kleinen Klönschnack (zu Deutsch: Smalltalk) halten kann, weil man gerade irgendwie im Garten rumwuselt.

Mein Vater ist leidenschaftlicher Sammler von so einigem (war meine Mutter auch, deswegen weiß ich zumindest, wo ich das her hab`) und dementsprechend ein Flohmarkt-Fan und -Gänger, wie er im Buche steht. Und so hat er auch jetzt die ganze Woche wieder seinen Carport-Flohmarkt aufgebaut, den er seit ein paar Jahren immer zu Ostern veranstaltet (sogar mit Zeitungsinserat). Den läßt er dann immer den ganzen Sommer über stehen und stellt sein ‚Flohmarkt‘ Schild an die Straße, wenn er zu Hause ist und das Wetter mitspielt. Und er freut sich über jeden Cent, den er dann dabei einnimmt, aber vor allem auch über jedes Teil, das irgendwie weggeht und nicht weggeschmissen wurde, Nachkriegsgeneration pur, von der ich zum Glück einiges gelernt habe und auch immer wieder tue. Trotzdem mußte ich ihn vorhin gerade wieder auch ein bißchen bremsen und erklären, er möge bitte nicht mit zu viel Kundschaft (aka Einnahmen) dieses Wochenende rechnen, es ist immerhin gerade Corona und er kann froh sein, wenn nicht irgendwann die Bullen auf`m Grundstück stehen, weil wir hier eventuell gegen etwaige Versammlungsverbote verstoßen. Und solange er weiterhin Zeug mit nach Hause bringt, das er auf irgendwelchen Sperrmüllhaufen abgegriffen hat, „weil man das einfach nicht stehen lassen kann“, werden unsere Flohmarktkisten auch auf keinen Fall leerer oder gar weniger werden.

Damit zurück zu den Büchern, denn das habe ich auch schon oft genug versucht, ihm klarzumachen, daß er bitte unseren Nachbarn langsam mal klarmacht, daß wir mehr als genug Bücher für unsere Büchertelefonzelle haben, soll heißen Nachschub für mindestens die nächsten zwanzig Jahre! Wir haben auf jeden Fall mehr, als wir auf diese Weise verkaufen können, und es werden auch nicht weniger, solange alle paar Wochen mal wieder ein, zwei oder auch drei Kisten abgegeben werden oder vor der Tür stehen. Das hat allerdings den einen großen Vorteil, daß ich dadurch bestens mit Lesestoff versorgt werde und mir nur selten Bücher kaufen muß, weil ich gar nichts zu lesen habe oder ein bestimmtes unbedingt haben will. Denn bei dem, was die Nachbarn hier so abliefern, sind wirklich sehr verschiedene Sachen bei, so daß ich mir die für mich interessanten nur rauszupicken brauche, wodurch ich mit einer Menge Material konfrontiert werde, mit dem ich mich wahrscheinlich lesetechnisch sonst nicht auseinandersetzen würde, was ich aus Gründen der Allgemeinbildung aber als eindeutigen Vorteil interpretieren würde.

So habe ich zum Beispiel letztens ‚Keine Zeit Für Arschlöcher!… Hör Auf Dein Herz‘ (Ullstein Taschenbuch 2017) gelesen, welches Fernsehkoch und Allgemein-Entertainer Horst Lichter, mit dem ich mich vorher noch nie auseinandergesetzt hatte, weil mir Schnauzbärte – vor allem derartig in Form gebracht – bekanntlich schon immer irgendwie suspekt waren, nach dem Tod seiner Mutter geschrieben hat. Aber den Titel fand ich dann doch sehr ansprechend und mit der Lektüre ist mir der gute Hotte auch eindeutig ans Herz gewachsen. In dem Buch gab es zum Beispiel eine sehr schöne Passage, die aus außenstehender Sicht ziemlich gut unsere norddeutsche Art im Groben und Allgemeinen beschreibt, besser als ich es als Einheimischer jemals könnte. Und zwar schreibt Horst Folgendes darüber, wie er seinen Kollegen Steffen Henssler aus Hamburg kennengelernt hat:

„… Ich geselliger Rheinländer hatte auch von hanseatischer Zurückhaltung und Distanz noch nicht viel gehört und überhaupt keine Erfahrung mit diesem wunderbaren Menschenschlag. Also bin ich da rausgegangen und habe nur gedacht ‚was ein arrogantes Arschloch‘. Das habe ich natürlich auch gleich Tim (Mälzer – Anm.d.Red.) unter die Nase gerieben. Doch der meinte nur: „Nee, Hotte, der Steffen ist ein Guter. Der ist gerade.“ Ich war nicht wirklich überzeugt. Das nächste Mal traf ich Steffen bei ‚Lanz Kocht!‘. Da wurde ich immer noch nicht so richtig warm mit ihm. Dann kam er immer öfter in die Sendung und ich verstand so langsam seine Art und wie er so drauf ist. Und da machte es bei mir ‚klick‘. Der war einfach nur ehrlich, geradeaus und ein guter Koch. Punkt, aus. Auf einmal hatte ich richtig Spaß mit dem Kerl. Da wurde es für mich Zeit, mal was geradezurücken, drum bin ich zu ihm hingegangen und habe gesagt: „Du Steffen, ich muß dir mal unbedingt was sagen. Als ich dich das erste Mal getroffen habe, habe ich gedacht, boah, bist du ein arrogantes Arschloch. Als ich dich das zweite Mal getroffen hab`, dachte ich immer noch, daß ich recht habe. Heute möchte ich mich dafür bei dir entschuldigen, daß ich das gedacht habe. Denn du bist einer der wenigen Echten.“ Und so ist es. Steffen ist so, wie er ist. Ich kannte halt nur bis dahin keinen Hamburger. Wenn der dir sagt ‚ich helfe dir‘, dann hilft der dir. Wenn der dir sagt ‚ich kann das‘, dann kann der das auch. Solche Menschen sind rar im Showgeschäft…“

Im Ernst, ich habe fast jedes Mal Tränen in den Augen, wenn ich diese Passage lese, denn ja, der gute Hotte hat damit zumindest die guten Eigenschaften von uns Nordnorddeutschen perfekt auf den Punkt gebracht. Dann habe ich mir noch zwei weitere Passagen aus dem Buch notiert, bei denen mir irgendwie aus der Seele gesprochen wurde, und zwar: „Ich habe realisiert, daß unsere Zeit auf diesem Planet sehr begrenzt ist. Und ich habe keine Zeit mehr für Arschlöcher, inklusive mir. Ich möchte morgens aufstehen und mit geradem Rückgrat in den Spiegl schauen. Ich möchte ein Rückgrat besitzen, wo andere Gräten haben. Deswegen schreibe ich mir das alles von der Festplatte. Um Platz für Neues zu schaffen…“ Und als Drittes: „Entweder so wie ich es möchte oder gar nicht. Das heißt ja nicht, daß man nicht empfänglich für Kritik ist. Das heißt, daß ich am Ende eines Entscheidungsprozesses, nach sorgfältigem Abwägen aller Argumente, mit ganzem Herzen hinter einer Sache stehen können will…“

Ja, geil, damit habe ich einen weiteren Seelenverwandten kennengelernt, wo ich es niemals erwartet hätte, und nachdem ich diese drei Passagen erstmal für wann auch immer abgetippt und auf der Festplatte meines Rechners abgespeichert hatte, stellte ich das Buch dann an seinen Bestimmungsort, in unsere Telefonzelle, denn bei mir in meinem Regal landen bestimmt nicht alle Bücher, die ich gelesen habe. Jenes, welches ich heute jetzt aber noch kurz vorstellen will, wird genau darin landen, denn das ist in der Tat ein Buch, daß ich von vorne bis hinten weiterempfehlen kann und bei Gelegenheit gerne auch verleihen würde. Ob ich es selbst nochmal lesen werde, wage ich zu bestreiten, aber nichstdestotrotz verdient es einen Platz in meinem Bücherregal, und wie gesagt, es kommt letztendlich aus einer Flohmarktkiste und hätte in unserer Telefonzelle enden sollen.

Die Rede ist von Sir Ernest Shackleton`s Werk ‚Südpol – 635 Tage Im Ewigen Eis‘, erschienen im Bastei Lübbe Verlag, nicht unbedingt für hochwertige Literatur bekannt. Dabei handelt es sich letztendlich um die Original-Tagebücher (plus Auszüge aus denen seiner Mitstreiter) eben jenes englischen Entdeckers, der 1915 in einer Expedition versucht hat, als erstes die Antarktis zu durchqueren, und ja, die Expedition schlug leider fehl, aber daß darüber trotzdem noch geschrieben wurde, macht das Ganze noch interessanter, denn das Unternehmen wurde wohl zu einem größeren Abenteuer, als sich sämtliche Beteiligten jemals vorgestellt hätten. Und ich erinnerte mich bei der Lektüre immer wieder an einen Film, den wir in frühesten Jahren damals in der Schule gesehen haben und was er für einen Eindruck bei mir hinterlassen hatte, über das Wettrennen von Amundson und Scott zehn Jahre vor Shackleton`s Expedition, die beide die ersten Menschen am Südpol sein wollten, wobei Scott und seine Männer letztendlich drauf gingen.

Um mich mal kurz zu fassen, die Endurance, das Schiff, mit dem Shackleton aufgebrochen war, um überhaupt erstmal die Antarktis zu erreichen, blieb nach ein paar Monaten im Packeis stecken, von dem es schlußendlich zermalmt wurde, und aus der großangelegten Expedition wurde ein zweijähriger Kampf ums Überleben. Und ein ähnliches Schicksal erlitt eine zweite Crew, die vom östlichen Ende der Antarktis dafür Sorge tragen sollte, die eigentliche Expedition dort in Empfang zu nehmen, und in diesem Buch erlebt man quasi hautnah mit, in was für einem mehr als lebensgefährlichen Abenteuer sich diese wackeren Männer für fast zwei Jahre befanden. Und auch wenn das Buch zur Hälfte von navigatorischen und vor allem meteorologischen Schilderungen und Beobachtungen handelt, die vor allem den übermächtigen Feind, das Eis, betreffen, ist dieser Erlebnisbericht natürlich spannender als jeder Krimi. Schließlich ging es zwischendurch auch noch darum, mit sechs Mann in einem kleinen Rettungsboot 1200 Seemeilen nach Südgeorgien durchzukommen, um Hilfe zu holen, und wenn man sich das alles mal alleine nur in Zahlen bewußt macht, wird einem erst bewußt, um was für ehrenwerte Draufgänger es sich damals gehandelt haben muß. Letztendlich fragt mensch sich bei der Lektüre die ganze Zeit einfach nur, wie viele das Ganze überleben werden, denn wenigstens Shackleton muß ja mit dem Leben davon gekommen sein, sonst hätte er ja nicht darüber schreiben können. Auch Blödsinn, denn bei all den Strapazen und Gefahren hat er nämlich noch geschrieben, pflichtbewußt jeden Tag…

Wir reden hier über eine Zeit, in der mensch einem neu entdeckten oder betretenen Land noch einen Namen geben durfte, und wenn Shackleton schreibt, gut 5000 Freiwillige hätten sich damals für diese Expedition, von der man nicht wußte, ob man lebend wieder nach Hause kommen würde, gemeldet, dann wird deutlich, wie weit wir heutzutage von derartigen Geisteshaltungen, aber auch Möglichkeiten, entfernt sind, und das alles ist mal gerade vor etwas über hundert Jahren geschehen, nämlich 1915 um genau zu sein. Und das ist ja auch noch so krass, denn bevor die Crews im Eis verschollen gingen, hörten sie noch vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges, und sie alle wollten dann möglichst schnell die Expedition hinter sich bringen bzw. später einfach nur noch gesund nach Hause kommen, um möglichst bald ihrem Land im Krieg zu dienen. Wie gesagt, man denkt die ganze Zeit, man sei im Mittelalter, aber nein, das Erlebte ist gerade mal hundert Jahre her!

Und da sieht mensch mal wieder, wie weit wir viel zu schnell gekommen sind, ja, im Endeffekt seit der Industrialisierung, das war tatsächlich der Anfang vom Ende. Witzig war dann irgendwie noch, daß ich die letzten zwei Drittel des Buches ausgerechnet in der Hängematte in der Karibik (ihr erinnert euch ans letzte Mal, Palomino, das Kleinod im Norden Kolumbiens!?) gelesen habe, in allen Belangen soweit entfernt vom ewigen Eis und den einhergehenden Entbehrungen wie nur möglich. Und umso besser paßt die Lektüre dieses Buches in die momentane Situation, denn wenn wir über Entbehrungen rumjammern und daß es so ja nicht lange weitergehen kann, dann sollte mensch sich einfach mal klarmachen, was Shackleton und seine 60 Männer so alles erdulden mußten und durchgemacht haben, was wiederum verdeutlicht, wozu der Mensch in der Lage ist und was er in der Tat alles auszuhalten vermag, wenn er eben muß.

Das ist wirklich sehr eindrucksvoll, denn gerade auf Kälte und schlechtes Wetter steht unsere Spezies ja nicht so besonders, und wenn mensch schon mal beim Wandern oder auf`m Festival eine kalte Nacht (oder sogar mehrere) in einem nassen Schlafsack erlebt hat, meint mensch ja, mensch weiß, wovon mensch redet. Aber stellt euch diesen Zustand mal über Monate hinweg vor, bei Minus 20° Grad und weniger, keine Körperhygiene und dabei vom Robbentran, der sofern vorhanden zum Heizen benutzt wird, am ganzen Körper schwarz vor Pech. Dazu dann nicht enden wollende Langweile gepaart mit körperlichen Höchstleistungen, die fürs Überleben notwendig sind, und das alles bei minimaler Nahrungs- und Wasseraufnahme und permanenter Todesgefahr. Na, prost Mahlzeit!

Ich habe hier eine einzige Textpassage ausgewählt, die sehr gut einen typischen Alltag verdeutlicht, mit dem sich unsere wackeren Gesellen im Land der Eisschollen und Gletscherspalten so rumplagen mußten: „Freitag, 25. Februar. Um 4.45 Uhr aufgestanden. Richards hat unser übliches Festmahl zubereitet – eine halbe Tasse Tee und ein Viertel Zwieback -, und wir haben die Mahlzeit in vollen Zügen genossen. Um 7.00 Uhr unterwegs, weitermarschiert, alle 10 bis 15 Minuten kurze Rast eingelegt. Wetter: Es schneit und weht wie gestern. Wir sind sehr schwach, dürfen aber nicht nachlassen. Wir reden oft von Kapitän Scott und dem Schneesturm, der ihn und seine Männer das Leben gekostet hat. Wenn wir noch einen Tag länger in unserem Zelt geblieben wären – ich glaube, wir wären nicht mehr hochgekommen und hätten das gleiche Schicksal erlitten. Aber wenn es schon zum Äußersten kommen muß, wollen wir – so haben wir es beschlossen – bis zum Schluß weitergehen und lieber im Geschirr sterben…“

Ähh ja, und unsereins jammert rum, weil wir mal für längere Zeit zu Hause bleiben müssen, mal im Ernst, was ist denn so groß anders als sonst? Ach, diesmal ist Zwang im Spiel, das macht das Ganze natürlich unerträglich. Ja, also im Moment ist wirklich der perfekte Zeitpunkt, sein Leben mal gründlich zu überdenken, wenn es nicht mit Abstand geht, dann vielleicht mit dem anderen Extrem, mehr Nähe, als einem lieb ist, vor allem zu sich selbst, aber auch zu seinen Liebsten. Wenn wir alle nur ein Fünkchen von Durchhaltevermögen und Selbstdisziplin an die Tage legen wie die Männer von Shackletion`s Expedition, bin ich guter Dinge, daß wir diese ganze Corona-Scheiße irgendwiewann hinter uns lassen können, aber wenn wir dann nichts dazu gelernt haben und genauso weitermachen wie bisher, dann dreh` ich echt durch, ey!

Gerade hier in meiner Heimat habe ich immer wieder, aber vor allem in den letzten zweieinhalb Wochen, ein bißchen das Gefühl, die Menschen fühlen sich irgendwie unbesiegbar und nehmen die Sache vielleicht doch nicht ganz so ernst, wie sie zu sein scheint. Aber das wundert mich nicht wirklich und wir werden noch sehen, was wir davon haben. Schön wäre es, wenn wir hierzulande gerade jetzt nicht wie immer nur an uns denken, sondern uns vielleicht einfach mal vorstellen, wie es in anderen Ländern/Kontinenten derzeit aussieht, wo fünfzehnköpfige Familien auf zehn Quadratmetern wohnen und umgekehrt, mensch sich auch wie bei uns immer schön die Hände waschen soll, obwohl es nicht mal genug Wasser zum Trinken gibt, und mensch vielleicht auch gerne einfach mal erschossen wird, wenn mensch sich an irgendwelche Ausgangssperren nicht hält. Ich würde sagen, schlimmer geht immer, und wenn wir gerade mal ein bißchen Ruhe walten lassen müssen, heißt das nicht, daß wir auch das Denken abstellen, und ich bin mir zum Glück ziemlich sicher, das können die meisten Menschen gerade auch nicht. Aber aus dem vielen Denken müssen irgendwann auch Taten folgen, und sei es nur, um Dinge zu tun, die mensch schon immer mal getan haben wollte. Auch wenn die Möglichkeiten zur Zeit begrenzt sein mögen, haben wir doch alles, was wir brauchen, und eigentlich noch viel viel mehr. Ich sage, der Terminus ‚Jetzt oder nie‘ hat an völlig neuer Bedeutung gewonnen, und ich werde sehr wohl versuchen, das auch für mich noch mehr als je zuvor so gut es geht umzusetzen.

Ah jo, das war mein Wort zum Karfreitag, wenn ich mal wieder was zum Auskotzen habe, werdet ihr das hier früh genug erfahren, es ist nicht auszuschließen, daß es hier auch wieder mal fröhlich zugehen wird. Was weiß ich denn schon, was morgen ist!?

In diesem Sinne lesen wir uns hoffentlich bald wieder, und bis dahin bleibt fröhlich und von mir aus auch gesund!
Amen halleluja,
Arne

P.S.: Und eins steht fest, mein Vater rult, von dem kann ich mir in vielerlei Hinsicht noch mehr als `ne Scheibe abschneiden… Ich hab` dich verdammt lieb, Herrchen, und bin so dankbar für dieses traute Heim!

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