FRONTURLAUB IN DOLLERUPHOLZ

Links unser Haus von Süden aus, im Hintergrund die Flensburger förde mit dänischer Küste

Moin Moin zusammen!

Also eigentlich sollte ich seit gestern schon wieder Ecke Belgien/Nordfrankreich auf Baustelle sein, da haben quasi zwei Projekte gleichzeitig angefangen, nein, eigentlich drei. Die Vulcano Jungs sind in Archeres nahe Paris am Start, aber mit dem Generalunternehmer und den Materiallieferungen dort verläuft mal wieder einiges suboptimal, wie so oft auf französischen Baustellen, doch die Thematik ist auf jeden Fall einen eigenen Blog-Eintrag wert. In Chaleroi in Südbelgien, wo Mikey auf grünes Licht wartet, sind sie auch mal wieder in Verzug, und dann soll nächste Woche noch das Projekt in Hazebroug in Nordfrankreich starten, was eigentlich schon im Juni hätte anfangen sollen, aber in diesem Business kann man sich auf solche Ansagen eben einfach nicht verlassen. Ich werde dann jetzt wohl die Woche erfahren, wo ich denn für den Saisonendspurt landen werde, auf jeden Fall geht es hoffentlich nächsten Sonntag statt gestern erstmal nach Brüssel zu Mikey und dann wie immer wohin auch immer…

Somit kann ich statt einer Woche zwei Wochen Auszeit und Heimaturlaub genießen, aber eigentlich ist mir das gar nicht recht. Ich wollte nur kurz zu Hause die kurzen gegen lange Klamotten austauschen und direkt wieder an die Front, das Wetter wird wahrscheinlich nicht besser bzw. wärmer und man will die letzten Baustellen denn auch gerne bis Weihnachten hinter sich gebracht haben. Wobei mensch das mit dem Wetter heutzutage ja auch nicht genau weiß, ich überlege auch wirklich, nicht mindestens doch eine kurze Hose mitzunehmen. Aber um Arbeit soll es uns heute mal nicht gehen, ich bin ja auf Urlaub zu Hause, deswegen dachte ich, ich stelle euch dieses Zuhause heute mal vor, ein paar von euch waren ja auch sogar schon mal hier, als Nachbarn oder als Besuch. Aber den meisten von euch dürfte der Name Dollerupholz wohl eher nichts sagen, das ist nämlich der Name des Dorfes, in dem ich wohne, das eigentlich gar kein richtiges Dorf ist und rein demographisch eher so eine Häuseransammlung. Die Landschaft dazu hier an der Flensburger Förde im Dreieck Flensburg/Schleswig/Kappeln nennt man Angeln und die Menschen hier Angeliter.

Aufgewachsen bin ich bekanntlich in Habernis, wo meine Eltern ein Restaurant mitsamt Campingplatz und Kiosk geführt haben, tausendmal im BOARDSTEIN MAGAZIN von erzählt. Im Herbst 1993, ich war gerade 18 geworden, sind wir vier Kilometer westlich in ein kleines Haus in Dollerupholz gezogen, in erster Linie weil meine Eltern keine Lust mehr hatten, sich den Arsch abzuarbeiten, um irgeldwelche Schulden abzuarbeiten. Und sie haben sich von dem ganzen Gedöns getrennt, wobei sie den Campingplatz noch mindestens zehn Jahre lang behalten haben, aber das sind letztendlich unwichtige Details. Ich hab` hier jedenfalls in Dollerupholz gewohnt, bis ich Ende 1998 ins Studentheim nach Kiel gezogen bin und von da aus Frühling 2000 in den BOARDSTEIN KELLER nach Dortmund. Und um das Ganze jetzt auch noch bis zum Schluß zu erklären, dort bin ich komplett im April 2009 ausgezogen, nachdem ich vorher schon ein paar Jahre mit meiner Freundin in Hamburg eine kleine Wohnung im Portugiesenviertel hatte. Nachdem diese Beziehung, von der ich dachte, sie würde die einzige in meinem Leben bleiben, leider nach 15 1/2 Jahren in die Brüche ging, hauste ich auf den 34 Quadratmetern dort noch gut weitere zwei Jahre mit teilweise ein, zwei Mitbewohnern, und zog dann, nach einer legendären Abschiedsparty, über die wegen des massiven Bulleneinsatzes, der die Party letztendlich sprengte, leider noch heute geredet wird, in eine neue Vierer-WG über dem Jolly Roger, der offiziellen St.Pauli-Fankkneipe.

Das war nochmal eine tolle Zeit dort mit lieben Leuten, aber mir war klar, meine Tage in der Großstadt waren gezählt, ich hatte mir selbst (und auch meiner Ex) immer wieder gesagt, daß ich mit spätestens Vierzig wieder auf dem Land wohnen möchte. Und damit hab` ich mir auch nichts vorgemacht und hab` das dann zweieinhalb Jahre später auch gerade noch geschafft. Da ich ja die ganze Zeit voll im Betonbusiness unterwegs und wie heute noch alleine schon acht Monate im Jahr auf Montag war, machte eine eigene Wohnung oder ein neues WG-Zimmer in Flensburg und Umgebung aber überhaupt keinen Sinn, und das war auch nicht mein Plan. Denn ich wollte richtig nach Hause, richtig aufs Land, zurück in die tiefste Pampa und zu meinem Vater, von mir und meinem Bruder liebevoll Herrchen genannt. Der hat nämlich in seinem schönen und recht geräumigen Garten ein schuckeliges Holzhaus stehen, das mit 38qm Wohnfläche und einer plietschen Raumaufteilung durchaus sehr geräumig ist. Dieses war ursprünglich mal für Gäste gedacht und sogar mit einer kleinen Küche ausgestattet, aber seit dem viel zu frühen Tod unseres geliebten Frauchens, wurde es eigentlich außer von mir im Sommer bei meinen Besuchen nicht mehr wirklich genutzt, weil für Gäste auch im Haus Platz war, und die Gäste meines Vaters werden wie mein Vater auch nicht jünger.

Mein Holzhaus, wie es leibt und lebt
Das Ganze von innen, BOARDSTEIN KELLER in ganz klein…
Meine extrem kuschelige Schnarchhalde, das Board kennt ihr noch, nä!?

Jedenfalls ist dieses Holzhaus ein einziger Traum und das Beste, was ich mir zur Zeit vorstellen kann, vor allem eben auch wegen seiner Lage, aber dazu gleich noch. Ich hab` hier auf jeden Fall genug Platz für meinen ganzen Kram, inklsuive meines Werkzeugs, von dem die Hälfte hinter`m Haus im Schuppen steht (na gut, ich hab` auch noch einigen Krempel bei Herrchen auf`m Dachboden). Mein Bett ist so gemütlich und kuschelig, daß ich jeden Abend, wenn ich mich da schlafen lege, freue, wie gemütlich und kuschelig ich es hier habe. Hinter meiner Hütte wird auch das Brennholz gelagert, mit dem ich mein Heim beheize und mein Vater sein Wohnzimmer, hier haben fast alle Häuser wenigstens einen Kamin oder Ofen, denn es gibt hier neben Feldern, Wiesen und Strand auch reichlich kleine Wälder. Und damit kriegt man das Ganze im Winter mehr als genug geheizt, und es gibt nichts Geileres, als das Holz für die nächsten Jahre selbst aus`m Wald zu holen, in ofengerechte Stücke zu hacken und hinter meiner Hütte zu verpacken, das erfreut mich jedes Mal. Der Wald neben unserem Grundstück ist natürlich auch ein optimaler Windschutz, denn wir haben hier nunmal meistens und fast immer irgendeine Form von Westwind und damit ist meine Hütte super geschützt. Dem ist bei Ostwind leider nicht so, und dieser Wind ist wirklich eisig, und da kommt auch mein Ofen nicht ganz mit und man sitzt hier dann mit zwei Pullis und Strickjacke am Schreibtisch, denn die Hütte ist eben nicht isoliert. Aber zum Glück sind das immer nur zwei, drei Wochen im Jahr mit starkem Ostwind (und das nie an einem Stück), aber ich bin immer froh, wenn ich dann gerade nicht zu Hause bin.

Der Blick aus meiner Tür Richtung Osten
Mein Vorgarten nach dem Laub harken

Ja, man lebt hier schon mit den Elementen, bei uns auf`m Land ist es auch nicht unbedingt als Smalltalk zu bezeichnen, wenn mensch sich über das Wetter unterhält, das ist hier nämlich eine ernstzunehmende Angelegenheit und hier im Norden meistens doch eher nich` so dolle, aber man gewöhnt sich dran, wenn man damit lebt. Vorhersehbar ist ja sowieso gar nichts mehr, und die Klimaerwärmung spürt man hier auf jeden Fall schon seit Jahrzehnten mehr als deutlich, das Wetter wird immer extremer, aber unter`m Strich deutlich wärmer, was ich mal für meinen Lebensabend eher als Vorteil betrachte. Jedenfalls hatten wir, als ich Kind war, jeden Winter mindestens zwei, drei Monate Schnee, heutztage freuen wir uns, wenn wir alle paar Jahre mal ein paar Tage Schnee haben.

Genug vom Wetter, denn mehr noch als damit (obwohl geht das?) lebt man hier nämlich auch mit der Natur, die sich allerdings ebenfalls sehr verändert hat, gerade am Wasser. Haben wir früher als Kinder die Stichlinge, Seenadeln u.Ä. quasi mit der Hand gefangen, ist mensch heute schon froh, wenn man beim Baden überhaupt nochmal irgendeinem Tier begegnet, das ist schon wirklich krass. Ansonsten aber haben wir hier reichlich Landschaftsschutzgebiete und ich würde schon sagen, daß die Flora und Fauna hier in der Region einigermaßen in Ordnung ist, denn man sieht schon noch reichlich Viecher rumkeuchen – und fleuchen oder hört sie auch des Nachts. Aber auch hier nichtsdestotrotz: Früher war mehr Lametta! Und gerade auch Vieh auf den Feldern sieht man nicht mehr allzu viel, die meisten Bauern haben aufgegeben und ihr Land an irgendwelche Großunternehmer verkauft oder -pachtet, die ihre Tiere natürlich eher in großen Ställen halten. Aber doch, ja, wenn ich lange unterwegs war und dann mit Zug und Bus nach Hause komme und aus dem Fenster in die Ferne gucke, muß ich schon immer wieder sagen, wir wohnen hier wirklich in der Pampa, aber dafür eben auch in einem kleinen Paradies. Und vor allem die Ruhe und vor allem Stille hier, gerade in meinem Garten in Dollerupholz, ist manchmal atemberaubend und ich will sie wahrlich nicht missen. So kommt es nicht selten vor, daß ich mich nach Wochen auf Montage wie nichts anderes auf meine Platten freue, dann aber erstmal zwei, drei Tage gar keine Musik höre, um eben erstmal voll zu entschleunigen.

Vom Schreibtischfenster rangezoomt, mein Bruder könnte euch genau sagen, um was für einen Raubvogel es sich handelt, mein Vater vermutlich auch

Ich hab` ja nun während meines actionreichen Lebens schon wirklich eine Menge paradisischer Fleckchen Erde gesehen, kennengelernt und erlebt, aber rein landwirtschaftlich kann die nördlichste Spitze Deutschlands da bei allem auf jeden Fall locker mithalten. Dazu kommt allerdings noch, daß es sich hier im gemäßigtem Klima gleichzeitig um einen der friedlichsten und ungefährlichsten Orte auf der Welt handelt, das allerdings in einem der reichsten Länder der Erde. Also ich kann nur immer wieder betonen, wie glücklich ich mich schätze, hier so letztendlich wohlbehütet groß geworden zu sein, und wie sehr ich meine Heimat liebe für das, was sie ist, nämlich ein Paradies auf Erden, zumindest für mich. Und wie ich weiß auch für fast alle Einheimischen, und daß die Menschen hier auch von einem ganz besonderen Schlag sind, brauche ich wohl nicht zu betonen, und dazu lasse ich mich besser auch mal ausführlich ein anderes Mal aus. Ich sehe die Gesellschaft hier jedenfalls ein bißchen anders, seit ich 25 Jahre durch die Welt getingelt bin, und das macht es mir hier mit Sicherheit nicht immer einfacher, aber dazu dann wie gesagt vielleicht ein anderes Mal mehr.

Jedenfalls ist es hier meistens einfach nur schön, durch die Nähe zum Meer natürlich vor allem in der warmen Jahreszeit, es kommen ja nicht umsonst viele Menschen aus ganz Deutschland seit Jahren und zum Teil Generationen zum Urlaub machen hierher, sonst wäre hier tatsächlich auch so gut wie gar nichts los. Und apropos Nähe zum Meer, ich hatte, glaube ich, noch nicht erwähnt, daß es von meiner Hütte 500m durch den Wald sind und ich dann am Strand stehe (in Habernis mußte ich nur über die Straße gehen). Ich bin also wirklich von der Waterkant und möchte hier auch unbedingt alt werden, denn es gibt nichts Besseres, als im Sommer mindestens einmal täglich ins Meer zu springen, das ist für mich echte Lebensqualität. Und mein Strand, ey, Alter, wie geil! Wir haben hier halt viele Steilküsten, dementsprechend sind die Strände sehr steinig und naturbelassen, das gilt aber eigentlich nur an Land, das Wasser selbst ist perfekt zum Baden. Gut, am Strand dürfte es gerne ein bißchen mehr Sand sein, aber dadurch fehlen zum Beispiel hier in meiner kleinen Bucht auch einfach die Touristen und Spaziergänger und dementsprechend bin ich oftmals ganz allein, wenn ich baden gehe. Und gerade in spiegelglatter See bei Sonnenuntergang hat das natürlich schon was, wenn man wirklich so ganz alleine im Wasser ist und die komplette Stille genießen kann. Ich muß allerdings sagen, manchmal hätte ich allerdings auch mal Bock auf richtige Wellen, die gibt`s aber eigentlich nur im Winter bei Sturm, wenn`s zu kalt ist zum Baden, naja, man kann nicht alles haben, woll!?

Auf`m Weg zum Strand
Mein Strand Richtung Westen
Mein Strand Richtung Osten, 500m vom Ufer haben wir die Urne meiner Mutter versenkt, sie ist also immer bei mir…

Dafür haben wir hier einen ebenfalls sehr naturbelassenen tollen Garten mit reichlich verschiedenen Bäumen, einem kleinen Teich direkt vor meiner Hütte und auch sonst alles, was ein Garten so braucht (gut, für eine kleine Betonminirampe muß ich meinen Vater noch ein bißchen bearbeiten, und ja, irgendwie fehlt auch mindestens ein Hund, aber mit dem Thema ist Herrchen leider auch durch). Da mein Bruder mindestens schon so lange, wie ich skate, Ornithologe ist – also in seiner Freizeit professionell Vögel zählt und beobachtet, und damit auch ein bißchen meinen Vater angesteckt hat -haben wir in unserer näheren Umgebung auch gut zwei Dutzend Brutkästen sämtlicher Güteklassen und ich erzähle euch lieber nicht, was Herrchen so im Jahr an Vogelfutter ausgibt. Aber dadurch flattert, zwitschert und singt es in unserem Garten zu jeder Jahreszeit auch reichlich, seit drei Jahren haben wir sogar eine Art Hausfasan, den Herbert. Es hat sich auch gerade wieder ein Igel unter meiner Hütte für den Wingter eingenistet, den hört man vornehmlich abends rumschnuffeln und der freut sich über die letzten Birnen vom Baum. Im Sommer gibt`s noch Frösche und Eichhörnchen, Rehe, Dammwild und Hasen sowieso das ganze Jahr, also an Tierchen, mit denen man hier lebt, kommt man nicht zu kurz. Und ey, so`n Garten ist auch ganz einfach geil zum Pissen gehen, was meint ihr, was das für`n Abwasser spart, und ich spar` mir die 20 Meter zum Haus, aber hallo! Ich bin mal früh morgens raus, um mich zu erleichtern, da stand ein paar Meter vor der Hütte ein Reh und hat irgendwo rumgeknabbert, mich nur doof angeguckt und dann weiter geknabbert, also bei solchen Momenten lacht das Herz immer mehr als sowieso schon.

Der Beweis, es haust wieder ein Igel unter meiner Hütte, meistens direkt unter meinem Schreibtisch beim Ofen

Da ich ja seit zwölf Jahren keinen Führerschein mehr habe und sowieso noch nie ein Auto, bin ich hier natürlich vornehmlich mit Fahrrad unterwegs. Zur Bushaltestelle sind es fünf Kilometer und dann nochmal gut Zwanzig nach Flensburg, das was ich als meine Heimatstadt bezeichnen würde. Weil `ne Fahrt nach Flensburg inzwischen sagenumworbene 5,40 Euro kostet, mach` ich es schon seit Jahren so, daß ich immer 20 Minuten vor dem Bus an der Nordstraße (die B199, nördlichste Bundesstraße Deutschlands) stehe und auf kalten Daumen mache. Und meistens komme ich dann auch noch vor`m Bus weg und meistens kennt man die Leute sogar auch wenn nicht direkt, dann über irgendwelche Ecken. Richtig geil, erst letztens im September irgendwann, ich steig` ein und der Typ fragt mich, ob ich was gegen Elvis Presley habe, lief halt gerade auf CD, war ich schon mal begeistert, der King geht immer. Er meinte dann auch ziemlich schnell, daß wir uns doch aus`m Hafermarkt in Flensburg kennen würden und schon mal zusammen auf der Couch da gekifft hätten. Naja, wir also so geplaudert (geschnackt sagt mensch hier) und ich dann irgendwann erzählt, daß ich eben keinen Führerschein mehr habe, und er grinst mich nur an und meint ‚Ich auch nicht mehr’… Jaja, Trampen ist schon geil, werde ich niemals nicht mit aufhören…

Und wo wir gerade schon in Flensburg sind, da zieht es einen dann ja doch mindestens einmal die Woche hin, man muß ja auch wenn nicht irgendwie zum Skaten auch mal unter Leute. Denn wenn ich es nicht drauf anlege, sehe bzw. spreche ich unter der Woche eigentlich auch gerne mal außer meinen Vater keinen Menschen, also persönlich jetzt, was auch ein bißchen an unserem vekorksten Dorf liegt, zu der Thematik gleich nochmal. In Flensburg kann mensch jedenfalls auch mal feiern oder auf Konzerte gehen, lange nicht mehr so gut wie z.B. zu BOARDSTEIN ZEITEN, aber egal. Da die meisten meiner Flensburger Freunde auch nicht mehr ganz so flexibel und belastbar sind wie früher, habe ich es mir jedenfalls mehr oder weniger angewöhnt, wenn ich feiern gehe, irgendwie durchzumachen und mit dem ersten Bus Richtung Kappeln nach Hause zu fahren. Und das sind dann immer die Momente, wo ich hier eins mit der Natur werde, wenn ich bei Sonnenaufgang mein Fahrrad durch die Nebelfelder nach Hause schiebe und mit mir selber rede, wie schön das Leben doch ist und wie gut ich es hier getroffen habe. Nicht so geil ist es, wenn man im Bus einschläft und dann Endstation Kappeln aufwacht oder vom Busfahrer aufgewacht wird, noch beschissener wird es, wenn der Busfahrer dann nochmal Geld für die Rückfahrt nach Dollerup haben will. Sowieso ist dieses Durchmachen eigentlich nur von Freitag auf Samstag erträglich, da fährt der erste Bus in Flensburg um 6.00 Uhr morgens, Sonntags erst um 8.30 Uhr und dann auch nur alle drei Stunden, das erfordert dann schon einiges an Selbstdisziplin, die im etwaigen Suff auch von mir nicht immer komplett garantiert werden kann.

Was soll ich sagen, alles in allem ist das hier nicht nur meine tolle und liebenswerte Heimat, sondern auch der ideale Ort, um nach ein paar Wochen Montage an der Front, wie schon mal erwähnt auch Männerpension oder Bootcamp genannt, wieder runter- bzw. eigentlich eher wieder raufzukommen und die Batterien aufzuladen. Dann hat man irgendwann auch wieder Bock und Power, sich ins nächste Abenteuer zu stürzen, gerade auch weil man sich mehr oder weniger sicher sein kann, daß man hier nicht allzu viel verpaßt, aber das liegt wohl vor allem an meinen eigenen Lebensumständen. Und es fühlt sich super an, zusammen mit meinem Vater zu wohnen, der ein bißchen Geld von mir kriegt, wenn ich hier bin, aber ansonsten zahle ich quasi keine Miete. Dafür wiederum 70,- Euro für Internet per Satellit, denn hier ist natürlich der Netzausbau noch ziemlich steinzeitlich. Das gilt vor allem auch fürs Handynetz, das kann tatsächlich schon manchmal ein Problem sein und sowieso bin ich hier im wesentlich stärkeren dänischen Netz, obwohl die Küste noch gut zehn Kilometer entfernt ist. Aber das ist ja generell in Deutschland ein Problem und in der Tat auch mal einen Blog-Eintrag wert, wenn die Thematik letzendlich nicht so langweilig und belanglos wäre.

Aber ja, man hat schon von Leuten gehört, die für bessere Netzanbindungen vom Land Richtung Flensburg gezogen sind und generell war es zumindest in den letzten drei Jahrzehnten tatsächlich ein deutlicher Trend, daß viele Häuser und Resthöfe hier von reichen Leuten aus vornehmlich Hamburg und Berlin gekauft worden sind, weil die jungen Leute eben nicht mehr auf dem Land wohnen wollen. Ich würde sagen, dieser Trend ist schon zurückgegangen, hat aber trotzdem dazu geführt, daß viele Dörfer ein bißchen ausgestorben bzw. auseinandergerissen sind, unser Dollerupholz hier ist das beste Beispiel. Viele Ferienhäuser, die nur einen kleinen Teil des Jahres bewohnt sind, und viele Zugezogene, die man gegebenfalls erstmal kennenlernen muß, eine Dorfgemeinschaft ist jedenfalls quasi nicht existent. Dafür gibt es aber ein paar Fehden untereinander, weil es auch nicht wenige Menschen gibt, die hier schon ihr Leben lang wohnen, sich dementsprechend erzkonservativ bis stockstumpf geben, und denen dementsprechend zwischendurch auch mal mit ihrer nordischen Sturheit extrem langweilig wird, frei nach dem Motto ‚Wer keine Probleme hat, macht sich eben welche‘.

Kollege Fischreiher

Ist mir alles egal, ich möchte hier gerne alt werden, und am liebsten auch wirklich hier auf diesem Grundstück in Dollerupholz, auf dem sich sicherlich noch einiges machen ließe. Und ich finde es auch toll, hier mit meinem Vater, inzwischen 78, zu wohnen, nicht daß ihm langweilig wäre und er händeringend Gesellschaft bräuchte. Aber ich kann ihm natürlich schon gut in Haus, Hof und Garten helfen, wie gerade letzte Woche z.B. mit Laub harken, was in zwei Monaten, wenn alles runter ist, nochmal anstehen wird. Ich finde das jedenfalls wirklich eine super Symbiose hier mit uns beiden, ey, unsere Nachbarn, die Schwennesens, leben mit vier Generationen unter einem – zugegebendermaßen sehr großen – Dach, wie geil ist das bitte!? Familie ist was Tolles, wenn man sie hat! Super ist auch noch, daß Herrchen als Koch auf Lebenszeit natürlich immer leckerstes Essen zubereitet, immer schön mit Saisongemüse und so, da brauch` ich gar nicht anfangen, mich großartig in die Küche zu stellen. Um 18.00 Uhr steht hier das Abendessen auf dem Tisch und ich werde dabei immer wieder aufs Neue verwöhnt. Vielleicht erzähle ich euch zu einem anderen Zeitpunkt auch nochmal ein bißchen was über Herrchen, der ist nämlich auch so `ne Angeliter Marke für sich, aber ich freue mich hier noch auf ein paar schöne Jahre mit ihm.

Somit hatte ich hier wie immer ein paar entspannte Tage, letzte Woche war es ausnahmsweise sogar nochmal richtig sonnig und herbstlich warm, seit ein paar Tagen regiert allerdings wieder der Regen, aber auch das kann eben sehr schön sein, bei so einem Sauwetter hier in seiner kuscheligen Hütte mit seinen Platten zu sitzen und schöne Dinge zu tun. Viel mehr nervt da in der kalten Jahreszeit schon die Dunkelheit, man kann uns nicht nur diesbezüglich ja eigentlich schon eher zu Skandinavien zählen als zu Deutschland. Aber das nervt schon, wenn`s im Hochwinter maximal sechs, sieben Stunden Tageslicht gibt und bei schlechtem Wetter überhaupt keine Sonne, da kann man schon ein bißchen komisch werden. Und so sehr ich die einzelnen Jahreszeiten hier auch liebe, spätestens Ende Februar habe ich dann immer genug vom Winter und muß nochmal irgendwiewo für ein paar Wochen in die Sonne, bevor die Saison wieder losgeht. Den Rhythmus kriege ich auch, glaube ich, nicht mehr aus mir raus und will ich auch gar nicht, der würde nämlich auch dem einen oder der anderen Angeliterin mal ganz gut tun, herrgott, fang` ich schon wieder an zu labern…

Aber den Ruf hab` ich hier eh weg, erzähle ich euch vielleicht auch irgendwann mal… Wir hören wieders, habt`s gut soweit und beste Grüße von ganz oben,
Arne

P.S.: Dadurch daß mein Marschbefehl sich nach hinten verschoben hat, wurde mir übrigens auch ein Blog-Eintrag ruiniert, denn eigentlich wollte ich euch Spermbirds und Steakknife im Doppelpack liefern, war ich doch vorletzten Samstag bei Spermbirds im Knust in Hamburg und wollte eigentlich letzten Freitag zu Steakknife im Goldenen Salon. Und wenn Lee Hollis schon zweimal in einer Woche in der Stadt ist, bin ich da doch gerne bei, ich finde den Typen und seine Bands ja bekanntlich super. Aber so bin ich dann doch nicht dieses Wochenende nach Hamburg gefahren, was die ganze Story irgendwie zunichte machte, ein Blog läßt sich vermutlich nicht planen, liegt wohl in seiner Natur. Deswegen hier nochmal eine kurze Impression von einer meiner absoluten Lieblingsbands, die immer noch so rockt wie eh und je. Ich werde kommendes Wochenende dann nochmal einen kurzen Zwischenstop in Hamburg machen, vielleicht gibt`s ja was zu berichten, ich kann ja gar nicht mehr ohne…

Ein Gedanke zu „FRONTURLAUB IN DOLLERUPHOLZ

  1. Yo, geiler Typ…grad noch mit nen tee den Eintrag hier am lesen, da klingelte und der nette DHL boi drückt mir n Paket ausm hohen Norden un die Hand… merci für den letzten Pulli und wir sehn uns bald mal wieder, stay boardstein arne und viel spass auf maloche egal wos dich hinverschlägt…

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