SAMUEL BEYER RIP IN PEACE

BOARDSTEIN Ausgabe 26

Liebe Gemeinde!

Wir haben uns heute leider aus einem sehr traurigen Anlaß hier versammelt, denn so ist mal wieder einer unser Brüder von uns gegangen, den es nun heißt, gebührend zu verabschieden. Und besagter Bruder ist sogar aus “freien“ Stücken gegangen, was die ganze Sache ganz sicher nicht einfacher macht, zumindest für mich nicht. So hat sich unser Samuel Beyer aus Aachen Anfang letzter Woche das Leben genommen, und ich bin darüber zutiefst betroffen und betrübt, denn Selbstmord ist schon mal irgendwie eine der unschönsten Sachen überhaupt, wenn ich das jetzt mal so salopp sagen darf. Was geht in einem Menschen vor, wenn er/sie sich entschließt, dieses eine uns gegebene Leben von sich aus vorzeitig zu beenden? Wie verzweifelt muß mensch dafür sein, für diese letzten Schritt?

Samuel war scheinbar verzweifelt genug und ich kann nicht behaupten, ihn wirklich gut gekannt zu haben, aber es war auch kein großes Geheimnis in der Szene von Leuten, die ihn kannten, daß Samuel schon länger ein ernsthaftes Drogenproblem mit sich rumschleppte, ich wurde darüber immer ganz gut von meinem Freund Dem Baum auf dem Laufenden gehalten, der über ein Jahrzehnt in Aachen gewohnt – oder sollte man besser sagen gehaust? – hat (und der sich an dieser Tragödie vielleicht mal ein überdeutliches Beispiel nimmt, wie solche Scheiße oftmals endet).

Aber ja, ich kannte Samuel, und er hat bei unseren Begegnungen immer einen besonderen Eindruck auf mich gemacht. Ende der `90er, kurz bevor es mit dem BOARSTEIN MAGAZIN losging, hatte Samuel schon seine ersten phototechnischen Auftritte in den einschlägigen Magazinen Monster, Limited und Playboard gehabt und war auch schon in der ein oder anderen Contest-Ergebnisliste aufgetaucht, meistens C-Gruppe. maximal B, rein alterstechnisch einfach. Die Rede war immer von so einer Art kleinem schwarzen Wunderkind aus Aachen, der alleine schon für sein Alter extrem stylisch wie auch technisch fuhr (ist er nicht in irgendeiner Postille sogar mal mit Sami Harithi verglichen worden!?).

Ja, und als ein paar Jahre später der BOARDSTEIN dann allmählich ins Rollen gekommen und ein gewisser Ingo Schäder, besser bekannt als Fotoingo, so eine Art Hausphotograph für uns geworden war, der uns regelmäßig mit immer besser werdendem Photomaterial aus`m Pott und Umgebung versorgte, tauchten auch die ersten Bilder von Samuel Beyer bei uns in der Redaktion auf, von denen das ein oder andere auch im Heft landete, grundsätzlich immer bestehend aus Streetskating vom Feinsten.

Irgendwann kam dann von Ingo auch mal die Ansage, er hätte Bock, mal mit Samuel ein ‚Yeah!‘ zu schießen, das waren ja immer unsere vier-, später fünfseitigen, Interviews bzw. Checkouts mit eher unbekannteren Nachwuchsrippern, die gerade anfingen, sich in der Szene ernsthaft einen Namen zu machen. Wir waren natürlich mehr als down damit, das waren wir grundsätzlich immer, wenn Ingo vorschlug, mal mit irgendwelchen Newcomern verstärkt Photos für irgendeinen redaktionellen Beitrag zu machen, nicht nur bei Ingo, eigentlich bei allen Photographen, wie auch sonst hätte ein bürgernahes Magazin wie BOARDSTEIN überhaupt funktionieren können!?

Ingo hatte Samuel zwischendurch auch mal nach einer ihrer Photosessions im Pott mit zu uns in die Redaktion genommen, und Sam schien schwer beeindruckt von unseren Räumlichkeiten und freundete sich natürlich auch gleich mit unserer gerade entstehenden Trainings Facility nebenan an. Auf mich machte er einen überdurchschnittlich freundlichen, gut erzogenen und bescheidenen Eindruck und ich schloß ihn somit gleich ins Herz, denn genau für Leute wie ihn hatten wir unser Magazin überhaupt erst gestartet, nämlich Underdogs, die Fame verdient haben. Somit war ich gespannt und freute mich, was wohl noch so alles an Photos von den beiden in den nächsten Wochen einfliegen würde.

Anfang 2004 in Ausgabe #26 war es dann soweit und Samuel hatte sein kleines großes Yeah! bei uns im Heft, und ich weiß noch, daß Ingo uns während der Endproduktion von Sam ausrichtete, wir mögen doch bitte seinen Nachnamen ‚Beyer‘ so schreiben, wie er eben geschrieben wird, nämlich mit ‚e‘ und nicht mit ‚a‘, wie es halt schon andere Magazine mehrfach verzockt hatten. Da war er bei mir an der richtigen Adresse, denn mir sind Wörter und Buchstaben und somit auch Namen heilig und mit einem Nachnamen wie meinem inklusive meiner Medienvergangenheit konnte ich wohl nachvollziehen, wie scheiße es ist, wenn man denn seinen Namen mal irgendwo in einem Magazin abgedruckt sieht, aber dann falsch geschrieben. Mir war das also durchaus sympathisch, daß Samuel das damals so wichtig zu sein schien. Das Besondere an seinem Yeah! war aber vor allem, daß er dabei sogar das Titelphoto abgestaubt hatte (vielleicht sollte man besser sagen ’sich hart erarbeitet‘), und ich weiß noch genau, wie es dazu gekommen ist:

Und zwar hatten wir bei BOARDSTEIN von Anfang an versucht – natürlich vollends vom Big Brother Magazin inspiriert – immer die etwas anderen Coverphotos an den Start zu bringen. Wenn ihr mal unsere 47 Ausgaben nur ganz vorne kurz durchblättert, solltet ihr feststellen, daß uns das eigentlich immer ganz gut gelungen ist, unsere Coverphotos waren immer irgendwie etwas anders, besonders und untypisch, wie BOARDSTEIN innerhalb der deutschen Medienlandschaft oder Skateboarding an sich insgesamt halt auch. Irgendwie hatten wir dann für Ausgabe #26 nicht wirklich irgendetwas “Mega-Abgefahrenes“ am Start, aber wir hatten einen verdammt schönen Fs Flip von Samuel, der eigentlich für sein Interview gedacht war, wo die Komposition mit dem vertikalen BOARDSTEIN SCHRIFTZUG hervorragend passen würde. Das war vom Bild her allerdings mehr Helge Tscharn-Style und somit eher untypisch für ein BOARDSTEIN COVERPHOTO, aber Samuel war schwarz, und in Deutschland einen schwarzen Skater auf dem Titel zu haben, ist auf jeden Fall etwas Besonderes, könnte sogar sein, daß das alles eine von vielen Premieren war, die wir mit BOARDSTEIN durchgezogen haben. Jedenfalls kann mensch es tatsächlich so sagen, daß Sam`s Hautfarbe ihm in diesem Fall einen entscheidenden Vorteil eingebracht hat, und wer das jetzt rassistisch findet, hat so rein gar nichts verstanden.

Letztendlich alles super gelaufen, alle zufrieden und alles mehr als gut, aber glaubt mal, wie ich als Chefredakteur bis Hausmeister dann gestaunt habe, als ein paar Wochen nach Erscheinen der Ausgabe ein waschechter handgeschriebener Brief von Samuel in der Post lag, in dem er sich herzlichst und aufrichtig bei uns für den Artikel und natürlich das Titelphoto bedankte, und spätestens da wußte ich, daß mich meine Menschenkenntnis nicht getäuscht hatte, nämlich daß Sam ein besonderer Mensch war und vor allem einer von den Guten. Ich mein`, wie geil ist das bitte!? Ein Skater schreibt einem Skateboardmagazin einen Brief und bedankt sich nochmal ausdrücklich für das Interview, das man von ihm veröffentlicht hat!? Da könnten andere erfolgsverwöhnte Sackgesichter Past und Present sich mal ein Dutzend Scheiben von abschneiden tun, würde ich sagen.

Ich kann mich nur wiederholen, Samuel hatte von Anfang an einen Stein im Herzen bei mir, aber mit dieser Aktion hat er sich und mich nochmal richtig bestätigt, und irgendwo in einem von drei oder vier Umzugskartons voll mit Leserpost und -scheiß bei Kollege Klaas in irgendeinem Keller in Hagen ist dieser Brief auch verwahrt. Ehrlich gesagt würde ich jetzt am liebsten – schon aus rein journalistischer Sicht, aber auch als Herzensangelegenheit – dahin fahren, das Ding raussuchen und für euch/uns alle abtippen, Samuel Beyer lebe (hoch)!

Ich war ihm dann immer mal wieder hier und da zwischendurch begegnet, wie das im Skateboarding nun mal so ist, und wir haben immer kurz freundlich Smalltalk gehalten, wenn wir uns gesehen haben. Mit als letztes im Gedächtnis ist mir dann folgende Begegnung geblieben, nämlich auf einer der letzten Bright Tradeshows im ehemaligen Polizeigebäude Downtown-Cräck City, ähh, Frankfurt. Man muß dazu sagen, daß Der Baum zu dieser Zeit schon in Aachen wohnte und sich natürlich lange mit Sam angefreundet hatte, und er sprach immer von Sammy hätte dies, Sammy hätte das gemacht. Tja, und irgendwann auf der Messe kam Sam dann mit (s)einer Freundin bei uns in/an den Stand und ich begrüßte ihn mit ‚Hey Sammy, schön dich zu sehen‘ oder was auch immer (solche Sprüche spult mensch auf einer Messe ja nahezu unheimlich automatisch in sämtliche Himmelsrichtungen ab). Und dann folgte unser üblicher ernsthafter Smalltalk, und ich weiß noch, wie Sam ziemlich früh gleich sagte ‚Arne, nenn` mich bitte nicht Sammy! Sam oder Samuel, aber bitte nicht Sammy, okay!?‘. Das fand ich als gefürchtet direkter und geradeaus raushauender Norddeutscher abermals sehr bemerkenswert von Sam, und ich meinte nur, daß es mir leid täte, aber Der Baum hätte halt in letzter Zeit immer wieder mal von Sammy hier, Sammy da erzählt, und Samuel meinte nur, ja, Der Baum, dem habe er das natürlich auch schon mehrfach gesagt, aber der spiele ja eh in seiner eigenen Liga, was Benimmregeln angeht.

Und ich weiß noch, wie sich Sam`s Begleitung mit leicht verdrehten Augen zu mir wandte und irgendwie entschuldigend meinte, daß sei ihm irgendwie ganz wichtig, aber ich war wiederum einmal mehr nur von Sam`s Ehrlichkeit und Courage entzückt, und ich weiß, daß er zu dieser Zeit noch nicht das Koks-Problem hatte, daß er später einmal haben sollte und das ihn schlußendlich wohl auch ins Grab gebracht hat, um es an dieser Stelle nochmal unschön auf den Punkt zu bringen.

Ich weiß es nicht genau, aber es ist gut möglich, daß es tatsächlich in unserer letzten Ausgabe war, (und nochmal für alle) wenn ich jetzt zu Hause wäre und nicht in Frankreich auf Montage, könnte ich das alles ganz fein recherchieren und nachschlagen. Jedenfalls ist das quasi das letzte Mal, daß ich Sam gesehen habe, nämlich auf einem Photo, das – ich bin mir ziemlich sicher – in einer der letzten, wenn nicht der letzten – BOARDSTEIN AUSGABE in den Photoseiten war (‚Visuelle Skateboardfakten‘ hießen die damals bei uns). Das war auch nicht von Fotoingo geschossen, sondern von irgendeinem Nachwuchsphotographen aus Aachen/Umgebung, dessen Namen ich jetzt gerne parat hätte. Jedenfalls war das Bild von der Qualität her jetzt nicht das beste, aber es zeigte einen stattlichen Fs Tailslide von Sam an einer schmalen und hohen Low-to-High-Ledge in seiner Heimatstadt Aachen, wie sie typischer für Deutschland nicht sein konnte. Wie immer hatte Sam echtes Streetskating vom Feinsten abgeliefert, und ich weiß noch, daß es das Photo bei mir, der zu diesem Zeitpunkt das Magazin inhaltlich sowieso mehr oder weniger alleine gemacht hat, nicht nur deswegen in die Endauswahl geschafft hatte, sondern vor allem, weil ich unbedingt nochmal Sam im Heft haben wollte.

Tja, und damit endet dann auch unsere gemeinsame unbescholtene BOARDSTEIN ZEIT, und wie schon vorher erwähnt, war das, was wenn ich dann mal über Sam hörte, Jahre später nicht gut und wurde nicht besser, irgendwann war man wohl komplett auf Koks, irgendwann wurde wohl nicht mehr geschnieft, sondern geraucht, und ich weiß nicht, was danach noch alles kam, kann es mir aber aus was für Gründen auch sehr gut selbst zusammenreimen. Damn, Leute, ich bin wahrlich selbst kein Kind von Traurigkeit, aber paßt mit den lieben Drogen auf! Und erzählt mir nicht, ihr hättet keinen Ausweg! Alter, Skateboarding ist die beste Droge der Welt und rettet dich vor allem, wenn`s sein muß! Rip In Peace, Sam! Ich und viele andere werden dich vor allem in guten Erinnerungen behalten. Word, Bro!

Amen,
Arne

Ein Gedanke zu „SAMUEL BEYER RIP IN PEACE

  1. Hey Arne,

    Großer Fan deines Blogs aus Frankfurt am Main! Ich war 2005 und 2009 für je drei Monate in Kolumbien. Ein tolles Land! Ich habe immer noch Kontakt mit Freunden von dort. Dein Homie kennt sich ja sicher aus, aber die Seite hier hat mir gut weitergeholfen, bevor ich dort Leute zum Skaten kennengelernt hatte. http://www.skatecol.com/index.php/icons/medellin
    Ich war hauptsächlich in Bogotá skaten. Sonntags ist dort immer Ciclovia. Da werden die Hauptstraßen in der Innenstadt gesperrt für alle Autos. Das ist der beste Tag zum street skaten! Überall sind Leute unterwegs, man hat kein Stress mit Autos und kann sich auch an unsichere Plätze trauen ohne die gefahr abgerippt zu werden.
    Ach ja von Koks würde ich unbedingt abraten, wenn du ein bisschen was vom Land sehen willst. Das Zeug ist so billig und gut, dass richtig viele Reisende da irgendwo an einem einzelnen Ort über Monate hängen bleiben und sich das von morgens bis abends reinfahren.
    Ich bin auch so viel durchs Land gereist. Kannst mir gerne mailen, wenn du Fragen hast. Ich erzähle und schreibe immer gerne über Kolumbien.

    Steffen

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