You tell me of a place where everybody knew their neighbors
All the families helped each other, and no one ever locked their doors
You tell me no one locked their doors!?
Old man please stay a while, I know, at first I seemed too busy
But now I`ll take the time and you tell me one more story…
So fängt eines meiner absoluten Lieblingspunkrocklieder an, nämlich ‚Old man‘ von Ten Foot Pole und deren grandiosen Album ‚Rev‘. Ein musikalisch hochwertiges und einfach schönes Lied kann mich halt erst richtig begeistern, wenn es dazu auch einen Text gibt, der mich ebenfalls begeistert, ich bin nun mal irgendwie Schriftsteller, also was soll ich machen? Jedenfalls versetzt mich gerade diese erste Strophe in meine Kindheit und mein Dorf Habernis, wo eben solche Zustände zuweilen vorgeherrscht haben, zumindest bin ich irgendwie so aufgewachsen, geschlossene Türen, wer braucht das denn? Doch die Zeiten haben sich wohl geändert…
Ein Ort, wo zumindest in dieser Hinsicht die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, ist die Nordseeinsel Amrum, die wahrscheinlich kuscheligste Insel von der ganzen Welt. Gut, ich bin extrem vorbelastet, denn seit ich denken kann, habe ich Familie auf Amrum, und zwar die Bachmänner, das sind Annegret und Dieter Bachmann mit ihren zwei Söhnen Gerret und Nils, Tante, Onkel und zwei Cousins, jeweils ein und neun Jahre älter als ich. Und ja, das waren ohne Frage schon immer meine Lieblingsverwandten, mit denen unsere Familie zumindest in meiner Kindheit auch am meisten Zeit verbrachte. Das sind nämlich auch ganz wichtige Wurzeln für uns, denn mein Vater lernte Dieter während ihrer Bundeswehrzeit in Flensburg kennen (beide waren Koch) und dadurch dann Dieters Halbschwester, die irgendwann später Herrchens Frau wurde und 1975 mein Frauchen. Annegret, Dieters Frau wiederum, ist waschechte Amrumerin und das wurde Dieter dann sehr schnell auch, also ohne das ‚in‘, `nä!?
Tja, und im Endeffekt bin ich somit auch mit Amrum groß geworden, denn wir waren eigentlich jedes Jahr mindestens einmal dort, auf jeden Fall öfter als die Bachmänner bei uns auf`m Festland waren, Inselmenschen halt. Ich kann mich jedenfalls an etliche Besuche und Urlaube, wenn nicht mit meinen Eltern, dann mit Oma und Opa und später ohne Letzteren in Nordorf erinnern, das ist die nördlichste und auch attraktivste Ortschaft der Insel. Meistens waren wir im Herbst da, respektive in den Herbstferien, und wenn ich mich nicht irre, war ich tatsächlich auch nur ein einziges Mal im Sommer auf der Insel, da ist das kleine Eiland leider ziemlich voll mit Touristen. Wir waren auch über Weihnachten 1979 dort, als die Schneekatastrophe hereinbrach und keine Fähren mehr fuhren, so daß wir länger bleiben mußten/durften, es gibt in Fiehl`schen Photobalben ein bezeichnendes Bild, wie ich total in Klamotten verpackt vor dem Friesenlädchen auf der Straße stehe und plärre wie ein verwaister Heuler, weil es dann wohl doch ganz schön kalt war damals. Ich kann mich aber auch gut erinnern, wie wir aus dem Wohnzimmerfenster im ersten Stock in die zwei Meter hohen Schneewehen neben dem Haus gesprungen sind, nun ja, die echten nordfriesischen Reetdachhäuschen sind nicht besonders hoch gebaut, was die Insel u.a. ja auch so kuschelig macht. Das hat so`n bißchen was von Hobbit-Höhlen…
Und das Friesenlädchen war schon ein besonderes Häuschen, weil lange einer von zwei Tante Emma-Läden im Dorf, wo es auf kleinstem Raum eigentlich alles gab, ganz nach dem Motto ‚Was wir nicht haben, brauchen sie nicht‘. Und das alles mitten im Ortskernchen von Nordorf, ‚Downtown‘, wie der New Yorker sagen würde! Es war bei uns zu Hause aufm Campingplatz Standard, daß wenn meine Eltern hörten, daß jemand nach Amrum fahren wollte, er/sie den Auftrag bekam, gefälligst im Friesenlädchen vorbeizugucken, weil man da sowieso vorbeigehen würde, und Grüße auszurichten. Das dritte Drittel des kleinen Häuschens beherbergte die Bachmanns und das ganze Leben spielte sich eigentlich in deren winzigen Küche ab und ich hab` mich da einfach immer nur rundum wohl gefühlt (damals gab es auch noch den riesigen Hauskater Snorre, Frage ist, gibt es einen geileren Namen für einen norddeutschen Kater? Nein.). Aber eigentlich waren wir sowieso am liebsten draußen, zumindest wenn es das Wetter zuließ, denn auf Amrum kann dieses auch echt ungemütlich werden, dann ist es natürlich wiederum in so einer kleinen Küche am kuscheligsten… 1980 ließen Dieter und Annegret dann drei Fußminuten vom Friesenlädchen die Straße runter das Haus Hotspur bauen, das zwei kleine und zwei größere Ferienwohnungen beherbergt, in denen wir dann während unserer Besuche wohnten, später dann meistens im ausgebauten Keller.
Vielleicht hier mal eine kleine Geschichte, die verdeutlicht, daß Inselmenschen und gerade auch die Ur-Amrumer ein besonderes und eingeschworenes Völkchen sind (oder zumindest mal waren, denn Gentrifizierung (und wahrscheinlich eine gewisse Inselmüdigkeit der jüngeren Bevölkerung) machen auch hier nicht halt, Gerret und Nils, meine Cousins, leben beide auch schon lange lange auf dem Festland). Aber, ey, die Amrumer haben (noch!) eine eigene Sprache, das Amrum Friesisch, was heutzutage wohl leider nur noch ca. 600 Menschen sprechen (eine Schande, Nils, daß du das deinem Sohn nicht vererbst!), und glaubt mir, da versteht mensch als Außenstehender wirklich nicht nur Bahnhof, sondern Flughafen. Wenn die Bachmanns sich damals untereinander unterhielten, wollte man am liebsten nur unter dem Tisch versinken, weil es sich wie eine Weltverschwörung von Polarkreisbewohnern anhörte, bei der man nicht mitmachen durfte.
Aber noch zu der Anekdote, die ich ja eigentlich dazu erzählen wollte: Und zwar gibt es auf Amrum seit jeher ein Böller- und Feuerwerksverbot zu Silvester, nämlich wegen die vielen Reetdachhäuser, und vielleicht auch ein bißchen wegen die Natur und so. Ich muß zugeben, ich habe diesbezüglich in meiner Kindheit und jungen Jugend abertausendfach und viel zu laut gesündigt, mein Bruder Kaddi, ich und unsere Freunde haben es zu Silvester bei uns am Strand immer richtig krachen lassen, also so richtig richtig. Wenn ein Schinken Pyrocracker damals beim Sonderpostenmarkt Mohr Bilsen in Kappeln 5,90 DM oder ein Schinken Super-Böller B (das sind die ganz großen!) 11,90 DM gekostet und man zu Spitzenzeiten lange angesparte 200,- DM für Knaller, Raketen und sonstiges Spektakel ausgegeben hat, könnt ihr euch ausrechnen, was die drei Tage vor Neujahr (und natürlich auch noch danach) bei uns im beschaulichen Habernis so abging.
Gut, damals gab es noch nicht wirklich diese sogenannten Polenböller, aber wenn man ein Dutzend Schinken Schwarzpulver und Raketen bis zum Mond unterm Bett stehen hat, muß man sagen, haben unsere Eltern uns doch schon ganz schön früh ganz schön viel zugetraut. Zum Glück sind bis heute alle Gliedmaßen dran und Trommelfelle heil (das Haus steht auch noch) und ich wäre sowieso schon seit Jahrzehnten einer der ersten, der ein – gerade in Zeiten der heutigen Klimadebatten – äußerst sinnvolles und längst überfälliges Böller- und Feuerwerksverbot unterschreiben würde. Muß mensch vielleicht erst beim Erwachsenwerden lernen, aber jaaa, das kann schon Spaß machen, mal so richtig Krieg spielen, als Kind zumindest, kennen wohl alle Jungs und solche, die es noch werden wollen.
Zurück nach Amrum, denn wir erzählten unserem Cousin Nils natürlich immer ausführlichst von unseren knallharten Silvestereskapaden und bedrängten ihn, er müsse doch unbedingt mal den Jahreswechsel bei uns verbringen, und er war auch wirklich immer quasi heiß drauf. Aber bei aller Knallerlust und Neugier konnte Nils sich nie so wirklich durchringen, weil zu Hause immer gehulkt wurde. Das Hulken ist wie bei uns auf dem norddeutschen Festland Rummelpott laufen, für alle, die südlicher groß geworden sind, das Trick or Treat der blöden Halloween-Amis. Als wir dann schon zu “alt“ für diesen Kinderscheiß waren und eigentlich nur noch ballern wollten (die Alkoholversion vom Rummelpott laufen hatten wir da zum Glück noch nicht drauf), wollte Nils dann endlich mal rüberkommen zu Silvester, und Kaddi und ich haben uns tierisch darauf gefreut. Aber dann hat er in allerletzte Minute doch noch abgesagt, weil er halt lieber mit seinen Freunden zu Hause hulken wollte, ohne Knaller und Gedöns, auf seinem beschaulichen Amrum. Da ist mir wahrscheinlich zum ersten Mal richtig bewußt geworden, was für ein besonderes Leben Menschen auf so einer kleinen Insel doch leben, gerade auch so als Gemeinschaft. Und daß es auch einen bestimmten Schlag Menschen dazu braucht, allerdings war die Insel vor 30, 40 Jahren noch lange nicht den Großteil des Jahres so besucht (und ausgebaut) wie heute.
Aber es sind nicht nur die Menschen, sondern vor allem auch die Natur, die Amrum so einmalig macht, nicht zuletzt befindet sich die Insel ja auch in einem echten Nationalpark, dem Wattenmeer. Und es ist unglaublich, was für vielseitige Landschaften sich einem auf dieser nur 20 Quadratkilometer kleinen Insel bieten, von Westen nach Osten wären das Meer, Kniepsand, Dünen, Heide, Wald, Felder, Salzwiesen und dann, zumindest bei Ebbe, Schlick bis ganz nach Föhr rüber. Und alles geht natürlich fließend harmonisch ineinander über, mensch könnte glatt sagen, Amrum ist ein Naturparadies-Titan, und ich fand es seit jeher irgendwie abstoßend, mir die Insel im Sommer vorzustellen, wenn sie sich heutzutage in Hochzeiten ca. 15.000 Menschen anstatt der normalen 2300 Einwohner teilen müssen. Im Herbst oder frühem Frühjahr jedoch, der Nebensaison, wo die Insel höchstens von verliebten Pärchen beurlaubt wird, hat mensch diese unendlichen Weiten zuweilen ganz für sich alleine bzw. zu zweit. Und das ist Tiefenentspannung pur, was mensch vor allem auch daran merkt, daß es einem vorkommt, als wäre man schon seit Stunden spazieren, dabei sind erst drei Kilometer sozusagen vergangen. Die Zeit steht nicht still, aber sie läuft doch deutlich langsamer auf Amrum, sofern mensch sich eben auf diese großartige Natur einläßt, und das geht natürlich(ein Stichwort!) am besten mit langen ausgedehnten Spaziergängen; und gar nicht anders…
Ich kann mich an einen bestimmten Urlaub mit meinem Bruder und meiner Oma dort erinnern, denn es sollte erstmal für längere Zeit der letzte sein. Jedenfalls muß ich so in der 6. Klasse gewesen sein und außer, daß mein Bruder und ich erstmalig mit Nils` Atari 2000 und Pacman, Q-Bert und so Konsorten konfrontiert wurden – was voll geil bei schmuddeligem Sturmwetter war – verfestigte sich auch ein bißchen die rebellische Ader in mir, denn in Nils und seinem Freund Erk hatte ich zwei Kameraden gefunden, die auch gerne mal ein bißchen Scheiße bauten, Laternen austreten/-schütteln und so sinnlosen Mist eben. Ich lernte aber auch eine neue Disziplin im Bereich Klingelstreiche kennen, denn einige Häuser auf den Dünen in Nordorf hatten zumindest damals eine Holztreppe mit kleiner Bohlenterrasse vor der Eingangstür, und nach dem Klingel galt es, sich darunter zu verstecken und quasi unter dem verdutzen bis verärgerten Opfer zu liegen und versuchen, nicht zu lachen. Das Ganze dann natürlich mehrmals nacheinander… Mann Mann, was waren das für unschuldige Zeiten, ich weiß, einmal mußten wir tatsächlich durch Hintergärten und über Zäune vor einem erbosten Nachbarn flüchten, Nils und Erk haben das mit den Klingelstreichen damals nämlich öfter gemacht und als Vollprofis gerne mal übertrieben… Mein Bruder, schon in frühen Jahren ein kleiner Spießer, hat übrigens bei unseren abendlichen Eskapaden immer nicht mit gemacht, Kaddi, Kaddi, was sollte nur aus dir nochmal werden?… Ornithologe, was sonst!?
Aber ja, von wegen unschuldige Zeiten, wir waren dann nochmal später zu Nils` Konfirmation auf Amrum und dann hab` ich ihn so drei Jahre nicht mehr gesehen, was für uns damals wirklich eine lange Zeit war. Dann folgende Situation im Sommer `95 oder `96: Während einem meiner drei Schüleraustausche mit unserer Partnerschule in Dabrowa Gornicza stand, als die Polen und sehr bildhübschen Polinnen ihren jährlichen Besuch bei uns in Kappeln abstatteten, ein Tagesausflug nach Amrum auf dem Programm und Nils sollte auch auf der Insel sein, er war da schon auf dem Internat/Gymnasium auf der Nachbarinsel Föhr. Ganz geil war bei dieser Schulveranstaltung noch wieder typisch meine pragmatische Mutter von wegen ‚Da komm` ich auch mit, billiger und spontaner kann ich den Bachmanns keinen Überraschungsbesuch abstatten‘. Was die Lehrer super fanden, wer hatte schon Verwandte auf Amrum!? Hatte ich auf dem Ausflug also meine Mutter am Hals… Nein, alles gut, Frauchen, genau für sowas hab` ich dich geliebt, wie ich nur dich lieben kann, warst du doch mein Jedi-Meister, sorry, Meisterin!
Äh ja, ich konnte mich dann für die Hälfte des Tages von meinen Mit- und Gastschülern und dem Tour- und Museumsprogramm lösen und wollte für den großen Abschlußspaziergang am Strand wieder dazu stoßen. Also nach der Begrüßung von Annegret und Dieter in den mir noch wohlbekannten Keller vom Haus Hotspur, da auf Nils warten, aber vorher erstmal schön Pfeifchen rauchen, schließlich kiffte ich seit zwei Jahren Bong auf Kette und hatte immer einen dabei. Wie sich dann sehr schnell herausstellte, tat Nils das inzwischen auch, und da hatten sich wieder zwei gefunden, wir waren ja schon immer irgendwie blutsverwandt und haben uns super verstanden. Aber lustig, wie sich dann verschiedene Individuen unabhängig voneinander in ähnliche Richtungen entwickeln können, zumindest manchmal und temporär, aber ey, das war die Hanf-Renaissance Mitter der `90er, Bong rauchen war en vogue und wir voll dabei und mittendrin…
Ist auch nur eine weitere Anekdote, denn danach war ich nur noch einmal mit der ganzen Familie kurz auf Amrum, nämlich zur äußerst gelungenen Hochzeit von meinem deutlich älteren Cousin Gerret und seiner Christine, seit jeher auch ein zuckersüßes Paar die beiden. Ein paar Jahre später war ich dann nochmal mit meiner ersten Freundin Teena für `ne Woche da und dann erstmal lange Zeit nicht, und zwar wahrscheinlich so peinliche 13, 14 Jahre… Und genau das galt nun schon seit längerer Zeit mal geändert zu werden, vor allem weil meine zweite Lebensliebe, die olle Olga, außer drei-, viermal St.Peter Ording in der Kindheit die Nordseeküste so gar nicht kennt und somit logischerweise auch noch nie auf Amrum war. Und das als Hamburger Deern, mannomann, was für `ne Kulturbanausin… Ja, so hatten wir vor einem Jahr schon mal ein paar Tage im Haus Hotspur, welches Gerret und Christine schon länger übernommen hatten, gebucht, die wir dann aber wegen diese scheiß Lockdown-Fickpissekacke nicht wahrnehmen konnten. Und jetzt scheiß die Wand an, ein halbes Jahr später in diesem Frühjahr wiederholte sich das ganze Szenario direkt nochmal!!! Also mensch muß sich echt ganz schön einschränken, wenn Krieg ist, und die Inseln haben ja immer als erstes komplett dicht gemacht, zu recht.
Aber jaaa, nun letzte Woche war es dann endlich soweit, sechs Tage Kuschelurlaub vom Allerflauschigsten auf meiner Lieblingspuschelmuschelinsel Amrum. Mein Superbatz Olga schnallte dann auch in Lichtgeschwindigkeit, daß ich nicht zu viel versprochen hatte, vor allem auch in Hinsicht auf meine liebenswerten Verwandten, und war natürlich auch sofort hin und weg von dem ganzen Amrum. So hatten wir das da sechs Tage lang extremst nett, was nicht zuletzt an einem zwar zumeist diesigen, aber doch trockenen Wetter lag, und das Ganze auch noch überwiegend nahezu windstill, ausgesprochen selten auf Amrum. Und ein Tag war es auch schön windig, und dann macht so ein Spaziergang auch verdammt Spaß, abends weißt du dann auch, was du gemacht hast und fällst totmüde ins Bett von all der frischen Luft. Amrum ist einfach gut für Körper und Geist, nicht umsonst gibt es hier zwei große Kliniken, in denen Menschen mit was auch immer für Gebrechen durch die Ruhe, Natur und eine steife Brise geholfen wird.
In echt jetzt, die achterbahnmäßigen Bohlenwege durch die Dünenlandschaft, die schnuckeligen Wanderpfade in der Heide oder die endlosen öden Weiten des Kniepsandes, eine in dieser Form in Deutschland einzigartige Landschaft, Flora und Fauna, die mensch nur liebhaben kann und mal erlebt haben sollte. Mensch ist irgendwie in einer anderen, gemütlicheren Welt, reiner Balsam für die Seele, wenn mensch sich drauf einläßt. Und das alles zwar am sprichwörtlichen Arsch der Republik (ach nee, das ja Bayern), aber dann doch nicht so weit weg. Und bemerkenswert vielleicht noch: Ich habe in Australien, Neuseeland oder auch auf Bali Strand- oder Dünenlandschaften gesehen, die genauso aussahen wie auf Amrum, das gibt`s bei mir in der Heimat öfter (natürlich mit anderer Flora und Fauna, Mensch!). Das beweist letztendlich, daß die Welt überall gleich schön ist und wir verdammt stolz und vor allem dankbar für sie sein sollten (vielleicht ein bißchen mehr als jetzt gerade!!!). Das beweist aber auch, wie toll Amrum einfach ist…
Ich – und das habe ich dann auch mit einem lächelnden Kloß im Hals so ins Gästebuch im Haus Hotspur geschrieben – bin jedenfalls sehr froh und irgendwie auch ein bißchen stolz, Wurzeln auf Amrum zu haben. Mein Bruder Kaddi ist ja sogar noch ein Stück weiter gegangen, der lebt schon seit gut zwanzig Jahren auf Föhr! Eigentlich Landesverrat, aber was soll`s. Nein, auch wenn wir beide in Berlin geboren wurden, sind wir früh genug dort weggezogen worden, um uns Nordangeliter und waschechte Schleswig-Holsteiner schimpfen zu dürfen. Ey, wir ham sogar Connecs zu diesem eingeschworenem Volk der Inselfriesen! Amrum, Aller, weißte bescheid!?
A place where no one locks the door…
Ja, so ist es tatsächlich auch heute noch, denn es war mir im Nachhinein fast unangenehm, als ich Gerret in meiner letzten Mail vor Abreise fragte, wo der Schlüssel von der Wohnung denn läge und so. „Der steckt in der Tür oder liegt auf dem Tisch, und vorne ist immer auf…“. Ja, klingelte es bei mir, so war es doch schon immer gewesen, wie großartig, daß es immer noch so sein kann. Am dritten Tag unseres Urlaubs stand dann fest, ich würde mir eine Straße weiter beim Kunsthandwerk- und Schnickschnackladen ein Pärchen von diesen zuckersüßen Kugelmöwen für unseren Garten kaufen (siehe Bild!). Da klebte prompt ein Zettel an der Tür ‚Vorübergehend geschlossen, in dringenden Fällen +49XXXXX anrufen‘. Mir war es dann fast ein bißchen unangenehm, aber vor uns lag das Wochenende und wir sollten Montag früh fahren und ich wollte doch jetzt unbedingt so ein entzückendes Pärchen Kugelmöwen für unseren Garten mit nach Hause nehmen, also rief ich an, irgendwie war es dringend. Und weil ich als Angeliter weiß, daß der Amrumer an sich nicht auf Floskeln steht, duzte ich den Mann an der anderen Leitung direkt, das kommt im Norden gut an, wenn mensch weiß, wann es angebracht ist. Im normalen Leben nämlich, Betonung auf normal, bodenständig und unkompliziert, alles mit ‚o‘ wie ’nordisch’…
Ich: „Ja, nee, wir wollten heute eigentlich nicht nach Nebel (nebliges Dorf in der Mitte von Amrum) kommen, wir sind zu Fuß und da waren wir gestern schon, können wir die 40,- Euro nicht irgendwo in Briefkasten werfen?“ – Er: „Ach, leg` die einfach unter die Fußmatte!“… Echt? Okay, unter die Fußmatte gelegt, gesagt, getan, ich bedankte mich für das unkomplizierte Vorgehen und war um ein Pärchen Kugelmöwen reicher… Wie geil bitte, das ist typisch Amrum, ich mein`, die Kugelmöwen standen da in Schwärmen bei Wind und Wetter Tag und Nacht vor dem Laden, nirgendwo wäre Diebstahl einfacher gewesen, aber Kugelmöwen verkaufen sich halt auch so, weil die so entzückend sind wie ihre Heimat, und sie werden sich prächtig neben meiner Miniramp machen, vor allem in der dunklen Jahreszeit. Denn da lacht das Herz einfach, beim Anblick eines im Winde schwankenden Kugelmöwenpärchens… Und wie geil nochmal, leg` das Geld dann unter die Fußmatte…
A plache where no one locks the door…
Tja, kommen wir dann nach all diesen zuckersüßen Worten und Geschichten zu einem schlimmen Fazit dieser schönen Zeitreise mit Reiseführer-Touch, denn in mir brodelte es leider mal wieder ganz schön während unseres sechstägigen Aufenthalts. Ey, es brodelt definitiv noch immer, hat es auch schon immer getan und tut es immer und immer doller verdammt! So hatten wir es uns am ersten Abend nach einer halbwegs anstrengenden Anreise und einer ersten Stippvisite am Strand noch für ein Stündchen vor dem Fernseher auf der Couch gemütlich gemacht, guckten wie immer irgendwas mit Doku/Nachrichten – weil den ganzen anderen Schrott erträgt mensch ja nicht – und mußten uns dann folgende unerträgliche Fakten anhören:
Der jährliche ‚Glücksatlas‘ im Auftrag der Deutschen Post basiert auf einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach mit mehr als 8400 Beteiligten. Die Befragten wurden darin unter anderem gebeten, ihre Lebenszufriedenheit auf einer Skala anzugeben. 0 steht für ‚überhaupt nicht zufrieden‘, 10 für ‚völlig zufrieden‘. Gefragt wurde zwischen Januar und Juni 2021, also einer spannenden Phase in unser aller Leben. Und – tätä – die glücklichsten Deutschen wohnen laut Glücksatlas wieder mal und schon seit vielen Jahren in Schleswig-Holstein, und auch in Sachsen-Anhalt, beide 6,78 Punkte!
Also ich kann nicht für die anhaltenden Sachsen sprechen, doch als Schleswig-Holsteiner kann ich unseren “Sieg“ mehr als nachvollziehen, aber, liebe Landsleute, 6,78 Punkte ist nicht euer Ernst, oder!? Ihr blöden FickerInnen, was zur Hölle wollt ihr denn noch, ey!? Ihr lebt in einem der friedlichsten und ungefährlichsten Paradiese auf Erden mit einem Lebensstandard, von dem achteinhalb von neun Milliarden Menschen nur träumen können, und ihr seid trotzdem nur 67,8% zufrieden!? Ja, ich weiß, Corona, ja… und ja, es können nicht alle so ein tolles und scheinbar unbeschwertes Leben führen und sich die Sonne aus dem Arsch scheinen lassen wie ich, aber was habt ihr denn so für Wehwehchen, daß ihr hier nur 67,8% zufrieden seid? Habt ihr eigentlich einmal an jemand anderen gedacht als an euch selbst, was verdammt fehlt euch? Ihr habt doch alles und viel mehr, als ihr je brauchen werdet! Alterrrrrrr… Ich hab`s in den letzten Jahren zu Hause halbwegs schmerzlich lernen müssen aber im Land der Horizonte (schleswig-holstein`scher Werbeslogan) blicken die Menschen nicht über die Horizonte, denn dann wären sie zu 99% zufrieden, oder wenigstens irgendwas mit Acht… Ihr seid so ein scheiß verwöhntes Volk, ey, und dann scheißt ihr auch noch weiterhin fröhlich unschuldige Kinder in diese scheiß kaputtgehende Welt…
Ja, sorry, es brodelt in mir, für mich ist jetzt auch erstmal Schluß mit Urlaub und vor allem mit lustig, denn spätestens passend zu Weihnachten will ich meinen Apokalypse-Blog fertig und veröffentlicht haben, das muß jetzt alles endlich raus, sonst explodiere ich wie eine Vulkaninsel. Mal gucken, wie mir zwischendurch die Muße für diesen Blog steht, Fakt ist, ich werde mich die nächsten Wochen zu Hause in meiner Hütte einmurmeln und schreiben, die meisten Menschen kotzen mich eh nur noch an, die wenigen anderen habe ich dafür umso mehr lieb. Und wenn ich schon nicht die ganze Zeit auf Amrum rumflauschen kann, dann bin ich zur Zeit zu Hause am besten aufgehoben, im beschaulichen Dollerupholz in meiner Hütte in Herrchens Garten gleich neben dem Wald und 500m vom Strand…
A place where no one locks their doors…
You tell me that you would show me only now it is too late
I would like to build community only now it is too late
Things can never be the way they were before
You can`t go back to how things were before
Once the trust is gone, once the trust is gone
Once the trust is gone you`ll lock the door
I can imagine that life, but it seems so far from real
It`s just like a story, that`s the kind of life I`ve never known
Old man you`re leaving now taking with you things I`ve never known
I wonder where you`re going and if it would be like your old home
I hope you find the place you`re looking for…
Bis später,
Old Man Arnie
P.S.: Also wer jetzt trotz dieser bitteren Realität Lust auf Amrum bekommen hat, sollte seinen Aufenthalt im Haus Hotspur planen, da seid ihr allerbestens aufgehoben, und das Geld bleibt dann auch in der Familie!
P.P.S.: Meine lieben Bachmänner, ich hab` euch richtig lieb (Olga jetzt auch!) und wir kommen mit Sicherheit bald mal wieder, also stellt schon mal den Grog kalt!
P.P.P.S.: Für das Thema Spots wartet bitte auf meinen näxten Schleswig-Holstein Videopart, wollte ich so spätestens zum 50. raushaun… gähn…