Bonne jounrnée, mes amis!
Ja, wie letztes Mal schon angedroht, bin ich also mal wieder in Frankreich auf Montage, und zu sagen, ich hätte eine langweilige Woche hinter mir, wäre glatt gelogen. Es fing alles quasi an wie immer, und zwar damit, daß ich nach knapp sieben Stunden Zugfahrt von Hamburg über Köln, wo sich Conni und seine Taschenratte Gypsy mir angeschlossen hatten, um 19.30 Uhr in Brüssel am Bahnhof Midi eintraf. Eigentlich hatten wir damit gerechnet, dort abgeholt zu werden und dann direkt Richtung Lille aufzubrechen, aber das wäre natürlich zu einfach gewesen. So war Mikey überrascht, als wir ihn anriefen, daß wir auf ihn warten würden, genau dafür hatte ich ja auch mittags, als ich losgefahren war, zum zweiten(!) Mal eine SMS mit unserer Ankunftszeit geschickt. Tja, wer wie wohl mal wieder nicht richtig gelesen hat, also schön eine Stunde auf Mikey warten, kennt man alles schon… Und natürlich ging es dann nicht direkt auf die Autobahn, sondern erstmal zum Byrrrh, nochmal für alle, das ist die Brüsseler Skatehalle in einem alten Industriegebäude, wo Mikey unten im Keller ein Lager für Werkzeug und Materialien drin hat. Also erstmal noch schön Kram einladen, hätte ja auch alles schon gepackt sein können, aber es war halt von Anfang an alles wie immer, wenn ich mit Concrete Flow auf eine Baustelle fahre. Irgendwann vor ein paar Jahren hab` ich Mikey mal klargemacht, daß ich bei aller Freundschaft diese ständigen Ein- und Ausladeprozeduren gerne auch bezahlt haben möchte, weil das echt nicht wirklich Spaß macht, vor allem nicht nach langen Zug- oder Autofahrten. Zum Glück war es diesmal nicht so viel und wir konnten dann irgendwann auch nach Lille aufbrechen…
Dort kamen wir dann in etwa um 23.00 Uhr an und die Unterkunft war mal wieder spezial, grundsätzlich ganz gemütlich und ausreichend, aber mit einem Schlafsaal mit sieben Betten drin, erzählt das mal einem normalen deutschen Montagearbeiter, wenn der nicht irgendwo ein Einzelzimmer hat, rückt der in der Regel gar nicht erst an. Aber wir Betonskateparkbauer machen ja alles aus Leidenschaft und lieben es, monatelang auf Klassenfahrt zu sein. Naja, am Dienstag sollten wir nochmal eine etwas kleinere Wohnung ein Stockwerk über uns dazu kriegen und konnten uns dann ein bißchen aufteilen. Thierry und Woecher, zwei alte belgische Kollegen, waren schon vor Ort. Ich arbeite ja jetzt schon seit acht Jahren für Mikey – er bevorzugt immer, wenn man sagt, man arbeitet mit ihm, was schon mal zeigt, was für ein guter Charakter er ist. Nun war es letztes Jahr das erste Jahr, wo ich nicht einmal im Süden gewesen war und seitdem anderthalb Jahre her, seit ich die Jungs alle gesehen hatte, zuletzt im Juli 2020 in Caudry, ebenfalls Nordfrankreich. Ich hatte daher von Anfang an die Einstellung, daß ich nur hier hingekommen bin, um zwei Wochen zu betonieren und fertig, einfach nur meine Arbeit tun, nix Vorarbeiter sein wie die langen Jahre davor. Und mit dieser Einstellung fuhr ich dann auch Montag früh zur Arbeit, wo wir das erste Piece im kleinen Bowl betonieren wollten. Es kamen dann auch noch drei weitere alte Kollegen dazu und man begrüßte sich freudig, ja, und dann ging`s los…
Es war auch das erste Mal seit Jahren, daß ich nicht schießen würde, also den Beton in die Fläche schießen, das hatte eigentlich ich immer gemacht, seit ich für Concrete Flow gearbeitet habe, so gesehen war es mal wieder ganz was Neues, direkt am Beton zu arbeiten, während jemand anderes am Schießen war, und das tat ich dann auch. Die meisten der anderen kümmerten sich derweil um weitere Vorbereitungen, nur um dann dazu zu stoßen, nachdem die Schießerei beendet und der Beton in der Fläche war. Tja, und ich will hier jetzt keine Namen nennen, aber einer von den Jungs, der erst vor vier Jahren in das Business gekommen ist, bluffte mich dann mehrmals an, ich würde viel zu früh an den Beton gehen und meine Technik sei sowieso scheiße, man würde ja heutzutage hauptsächlich mit Pole Tools arbeiten, und irgendwie wurde die Stimmung hinter meinem Rücken aufgeheizt, weil ich einfach weiter meine Arbeit machte, so wie es gewohnt bin und am besten kann. Und dann mußte ich denen noch erklären, daß es eben Pole heißt, und nicht Stick, damnit, und zumindest in kleinen Bowls bin ich nicht unbedingt Fan von den Dingern.
Und im Ernst, Leute, nach 14 Jahren und über 100 Projekten unter jeglichen klimatischen Bedingungen spiele ich, was Europa und wahrscheinlich auch die ganze Welt angeht, ohne Frage in der obersten Liga der Betonskateparkbauer, nicht nur was Skills, sondern vor allem auch was Erfahrung angeht. Auf gut Deutsch, erzähl` mir nichts über Beton, da hab` ich einfach schon alles gesehen und verarbeitet, was vorzustellen ist, und ich weiß einfach verdammt nochmal, was ich da tue. Da muß ich mir dann bitte nicht von Leuten, die noch in der Highschool Mädels hinterher gejagt sind, als ich mit dem Ganzen angefangen habe, oder mal gerade seit drei, vier Jahren dabei sind, irgendwie anhören, ich würde das nicht richtig machen. Woher kam diese unangebrachte Aggression mir und meinen Skills gegenüber?
Nun, weil es sich, wie eigentlich immer bei der ersten Betonage um ein relativ kleines Piece gehandelt hat, hab` ich mich dann zurückgezogen und die Jungs machen lassen und mich um weitere Vorbereitungen für die nächsten Tage gekümmert, wofür ich allerdings nicht wirklich Werkzeug mitgenommen hatte, weil wir ja hauptsächlich betonieren wollten. Jedenfalls fühlte ich, der über die Jahre unzähligen belgischen und französischen Neuzugängen mal so eben nebenbei auf Baustelle mehr oder weniger das Handwerk beigebracht hat (da bezahlt einen auch keiner für!) doch ziemlich verletzt und auch ein stückweit überflüssig. So dachte ich bereits am Nachmittag, ey, so gut ich das Geld auch gerade gebrauchen kann, aber das muß ich mir alles nach all den Jahren nicht antun, derart schlechte Stimmung bereits am ersten Tag, dann kann ich ja morgen wieder nach Hause fahren, da gibt`s mehr als genug zu tun.
Naja, erstmal drüber schlafen, und ich will nicht sagen,es traf mich hundert Prozent unvorbereitet, und ich habe besagten Kollegen echt gerne, aber mir war schon in den letzten Jahren aufgefallen, daß er eine ziemlich große Klappe hat (vor allem macht der Ton ja auch immer die Musik) und leider oftmals auch ein bißchen klugscheißerisch daher kommt. Da hatte ich mir in der Vergangenheit schon öfter mal auf die Zunge gebissen, zuletzt auch auf meinem Bau in Glücksburg vor anderthalb Jahren. Nicht daß ich Konfrontation scheue, aber, wie ich auch erstmal im Laufe eines langen und ereignisreichen Lebens lernen mußte, manchmal hält mensch einfach besser seine Klappe, wenn mensch noch tage- oder wochenlang zusammenarbeiten muß. Wie heißt es so schön, der Klügere gibt nach!? Trotzdem ist es nicht schön zu wissen, daß das halbe Team sich hinter deinem Rücken das Maul zerreißt, und das alles nur, weil ich letzte Saison nicht dabei gewesen bin und ihr jetzt die ultimativen Betonbauer seid?
Ach so, vielleicht kurz mal zum Projekt an sich, das besteht nämlich aus einem kleinen Boomerang-Bowl mit Extension und einem 2,30m tiefen Pool, der rundum Poolcoping bekommen soll. Das Ganze wird neben einem großen Decathlon gebaut, also so ein richtiges Sportdorf mit Bike-Teststrecke, Asphalt-Pumptrack und eigener Indoor-Skatehalle. Scheint ein cooler Kunde zu sein, Mikey hat denen während des Baus gerade erst noch eine Vergrößerung der Anlage verkauft, die daraus besteht, den Bowl und den Pool noch mit einer kleinen Cruise-Streetlandschaft zu verbinden, vorher sollten die beiden einzeln für sich stehen.
Also sowas passiert auch nicht oft, aber coole Sache das! Bißchen nervig dann mal wieder, wenn man schon einen Pool mit Poolcoping baut, daß die Pussys von Decathlon den nicht so steil haben wollen, also wenn schon Pool, dann Pool, oder was!? 2m Radius im Shallow-End ist da echt nicht angesagt, den Mellow-Bowl gibt es doch daneben! Boah, schon tausendmal erlebt sowas und genauso oft genervt davon, wir sind doch die Skateparkbauer, die wissen, was sie tun. Wie auch immer, zuerst dachte ich jedenfalls, wenn genug zu tun ist, könne ich ja auch drei Wochen hier bleiben, was sich deutlich auf`m Kontostand bemerkbar machen würde, aber Dienstag dachte ich nur noch, ich bin froh, wenn ich hier eine Woche durchhalte, ohne auszurasten und womöglich das ein oder andere Maul zu stopfen.
Naja, Dienstag hab` ich die dann einfach alleine betonieren lassen und an einem Tag fast im gesamten Pool Stahl verlegt, Conni kam zwar auch mal kurz zum Helfen, weil er von den Jungs genervt war, aber ja, ich bekam zu Feierabend ordentlich Props von den anderen, was ich denn alles geschafft hatte. Da dachte ich dann, okay, alles irgendwie wieder gut. Aber nein, der Mittwoch, wo wir dann die beiden Corners im Bowl betoniert haben, so daß meine Manpower aufgrund der großen Fläche einfach gebraucht wurde, war dann anfangs noch eine Steigerung des Montags. Ich machte einfach meine Arbeit und mußte mir dann hinterher von Mikey anhören, wie die anderen sich wieder im Baucontainer über mich beschwerten, weil sie mal wieder meinten, sie müßten besser noch warten, bevor sie den Beton bearbeiten würde. Aber das war mir inzwischen sowas von egal, ich war vor Ort an der Fläche und wie gesagt, erzählt mir bitte nichts über das richtige Timing bei der Betonarbeit, den ein oder anderen Hektar von dem Zeug dürfte ich in meinem Leben schon abgerieben haben.
Das richtige Timing ist nämlich in der Regel, wenn sich der Beton mit möglichst wenig Druck und Kraftaufwand bearbeiten läßt, trotzdem muß er natürlich bereits fest genug sein und darf sich nicht mehr bewegen, ganz einfach eigentlich. So, und für die vielleicht fünf bis zehn Eingeweihten, die das hier lesen und selber schon mal einen Betonskatepark gebaut haben, hier mal kurz die eingemachten Details in Fachsprache. Da die eine Corner im Gegensatz zu der anderen voll in der Sonne lag, wollte ich da mit dem Edgen unterm Coping anfangen, hatte aber keinen eigenen Edger, weil jede(r) hat heutzutage einen Edger, das ist immer mit das erste eigene Werkzeug, das sich irgendwelche Neulinge kaufen, obwohl es letztendlich quasi nur zur Maniküre da ist. Mir war es jedenfalls zu doof, einen eigenen mitzunehmen. Irgendwie wollte mir dann aber keiner seinen Edger rausrücken, wo ich dachte, gut, dann macht das hoffentlich später irgendein anderer, ich würde es genau jetzt machen, es ist der perfekte Zeitpunkt dafür.
Genau wir für die Magnesiumkellen, das ist der zweite Bearbeitungsvorgang beim Betonieren, und der Zeitpunkt, wo alle wieder in den Container gingen, weil es angeblich noch zu früh sei, war genau perfekt dafür. So schaffte ich es innerhalb einer halben Stunde ganz alleine ohne zu schwitzen die größere der beiden Corners mit Magnesium abzuarbeiten und rauchte gerade den Joint danach, als die anderen aus`m Container kamen und sich wunderten, daß ich schon fertig war, und sich dann allesamt schnaufend und schuftend an die andere Corner machten, weil es da allmählich allerhöchste Zeit geworden war. Tja, wenn mensch beim Magnesium zu spät anfängt, ist das ein sehr anstrengender Arbeitsvorgang, lernt mensch eigentlich ganz am Anfang, da mußte ich dann das erste Mal ganz satt und ordentlich in mich hinein grinsen.
Kaum zu halten aber war meine Freude, als Thierry sich mit dem Edger ans Coping an meiner Corner machte und sehr schnell merkte, daß es dafür eigentlich viel zu spät war. Edgen ist nämlich auch ein eigentlich sehr einfacher Arbeitsvorgang, wenn mensch es denn rechtzeitig angeht, wenn mensch zu spät ist, ist es eine einzige Quälerei und sieht dafür dann hinterher auch noch scheiße aus. Tja, und spätestens als Thierry mir dann vorwarf, ich hätte den Beton unter dem Coping zu fest eingerieben (was man immer machen muß, weil diese Stelle oftmals bis zum Schluß nicht fest wird und hält, da das Coping oben ja glatt ist), wurde mir klar, daß das jetzt wirklich was Persönliches zu sein scheint. Gleichzeitig wurde Thierry aber, glaube ich, auch klar, wie lächerlich seine Ausrede war, und allen anderen, daß ich scheinbar doch ein bißchen was von Beton verstehe. Und siehe da, ohne drüber geredet zu haben, außer jeweils hinter dem Rücken der anderen, änderte sich über den Nachmittag schlagartig die Stimmung, man redete wieder miteinander und machte Witzchen und alles war wie früher.
Alter, was für `ne Aufregung und was für`n Streß, anstatt daß einfach alle ihre Arbeit machen und sich nicht wie die Allwissende Müllhalde aufspielen, die ja schon so viele Gefechte an vorderster Front gefochten hat. Mikey meinte zwischendurch zu mir, ich sei nun mal auch ein sehr sturer Kopf und schwer von etwas zu überzeugen, und ja, das weiß ich sehr wohl, das bin ich. Doch eigentlich lerne ich sehr gerne dazu, aber nur wenn ich es für mich als sinnvoll erachte, es gibt nun mal verschiedene Techniken für fast alles im Handwerk oder auch im Leben, ich darf mir doch wohl nach 14 Jahren und Projekten auf allen Kontinenten mit den verschiedensten Firmen erlauben zu behaupten, was z.B. Betonverarbeitung angeht, schon lange den für mich besten Weg gefunden zu haben. Und da macht mir auch keine(r) was vor, also echt nicht, eher bin ich viel zu oft vom Gegenteil überzeugt worden. Es gibt immer verschiedene Wege, ans Ziel zu kommen, ich mache es auf dem für mich einfachsten und besten und solange ich damit keinem in den Weg komme und die Qualität 1A bleibt, ist dagegen doch bitte auch nichts zu sagen.
Jedenfalls hatte ich so`n bißchen das Völlegefühl, ich hätten den Jungs eine kleine Lektion erteilt und meinen Respekt zurück verdient, und daß sowas in der Form nochmal nötig sein würde, fand ich schon irgendwie schräg. Mit Thierry hatte ich schon immer so ein bißchen Diskrepanzen, wenn auch einzig und allein auf der Arbeit, denn Thierry ist schon wirklich sehr speziell (gut, bin ich auch, aber auf eine deutlich chilligere Art und Weise). Und ja, das kommt tatsächlich, wenn auch äußerst selten, selbst in dieser so eingeschweißten Gemeinde der Betonskateparkbauer vor, wie vermutlich auch überall in allen Branchen. Mit manchen Leuten kann man einfach nicht zusammenarbeiten, da prallen einfach zwei Egos aufeinander, die beim Arbeiten nicht miteinander harmonieren, gerade bei Streßsituationen auf`m Bau, da kommen wirklich gerne mal die wirklichen Persönlichkeiten zu Tage. Wie gesagt, ist in 14 Jahren noch nicht oft vorgekommen, aber ich habe es schon mit anderen echt guten Freunden erlebt, nach der Arbeit alles okay, aber auffe Baustelle harmoniert das einfach nicht. Das hat Thierry mir so auch (einmal mehr) an diesem Nachmittag ins Gesicht gesagt.
Und sollte dieser Zustand länger andauern, können dabei scheinbar sogar Freundschaften kaputtgehen, man hat ja schon einige kommen und gehen sehen, traurig aber wahr. Eigentlich konnte ich immer ganz gut mit solchen Umständen umgehen und auch mal anderen Recht geben, obwohl ich etwas innerlich mit voller Überzeugung anders sah, aber vor allem kam ich in der Regel meistens mit allen immer super klar, und das über viele anstrengende Jahre lang. Und ja, ich hatte nun in diesen ersten drei Tagen so gemobbt, wie ich eben irgendwie war, reichlich Zeit zum Nachdenken, und genau das nervt halt so extrem, wenn man sich pausenlos über jemanden ärgern muß, nach Gründen dafür sucht, was man denn falsch gemacht haben könnte, und einfach nichts findet. Und da wurde mir mal wieder bewußt, was ich eigentlich schon alles Krankes in diesen letzten 14 Jahren erlebt und durchgemacht habe…
Mannomann, da könnte ich wirklich ein Buch drüber schreiben, und zwar ein ganz schön dickes in 6-Punkt-Schriftgröße BOARDSTEIN-STYLE, ich bin ja wie gesagt auch einer der Dienstältesten in diesem Gewerbe. Und die Betonskateparkbauerszene ist halt ein Auffangbecken für Freaks und große Egos, die nicht wissen, was sie sonst machen sollen und hier drin ihre Berufung sehen, da kann und will ich mich gar nicht ausnehmen. Dabei zieht Concrete Flow die krassesten Egos von allen an, weil Mikey halt so ein entspannter Chef ist, der die Leute einfach machen läßt, weil er sich hinter den Kulissen um die nächsten Projekte kümmern muß, der Hauptgrund, warum auch ich so lange und gerne für ihn gearbeitet habe. Und ihr könnt euch eben nicht vorstellen, was für krass intensive Momente und Situationen ich und alle, die sonst so dabei waren, schon durchgemacht haben, manchmal tage-, wochen- oder sogar monatelang auf einer Baustelle. Und immer haben wir uns irgendwie durchgebissen und am Ende stand dann da ein neuer Skatepark, den wir in schweiß- und nervenaufreibender Gemeinschaftsarbeit zusammen haben entstehen lassen. Also nicht immer alles, es gab zum Glück auch viele extrem chillige Baustellen, aber irgendwelcher Ärger ist bei so einer Horde egozentrischer Skateboardwahnsinniger nun mal vorprogrammiert, eine Menge unvergeßlich guter Zeiten natürlich auch.
Und ich bin einfach so verdammt stolz und irgendwie auch dankbar, was ich alles lernen, erleben und erschaffen konnte, gerade auch die vielen tollen Menschen, die ich dabei kennenlernen durfte, da kann ich wirklich Stunden lang rumsitzen und in die Gegend starren und dabei einfach Erinnerungen vor mir ablaufen lassen, und ey, das ist nur mein Leben nach BOARDSTEIN! Aber ja, ich habe hier in Lille, gerade nach den anderthalb Jahren Pause, in denen ich außer zwei kurzen Projekten in Österreich ausschließlich zu Hause gearbeitet habe, noch einmal deutlich gemerkt, daß es wirklich langsam an der Zeit ist, mich hier zurückzuziehen und auf meine eigenen Projekte in der Heimat zu konzentrieren. Das war ja eh der Plan und länger als zwei, drei Wochen maximal würde ich hier auch nicht mehr runterfahren zum Arbeiten. Aber selbst das wird wohl nicht mehr passieren, ich will nicht sagen, ich werde da langsam zu alt für (und müde von), aber muß ich wohl so sagen. Dann überlasse ich gerne den Jüngeren das Feld, mal gucken, ob die auch alle 14 Jahre dabei bleiben werden, die Kontakte werde ich auf jeden Fall pflegen, so gut es ohne asoziale Medien eben geht, denn ich liebe die Motherfucker alle, wie sie da sind.
Ganz bezeichnend ist dabei, daß ich hier auch einen neuen Kollegen kennengelernt habe, und zwar den erst 24-jährigen Luc aus Lille. Das ist ein super pfiffiges Kerlchen mit einem sehr gesunden Kopf auf den jungen Schultern. Der hatte nach sechs Jahren auf zwei Kunstschulen keinen Bock mehr drauf und will jetzt mit uns Skateparks bauen und er stellt sich dabei ziemlich gut an, Alter, und shredden tut der kleine Mann besser als wir alle zusammen. Wie gesagt, ein ganz großer Hauptgewinn unser Luc und ich freue mich sehr, daß ich das auf meiner dann vermutlich doch letzten Baustellen mit Concrete Flow alles noch einmal erleben kann, wie sich so ein Newcomer voller Freude und Enthusiasmus mit uns in den Dreck stürzt. Muß aber auch zu geil sein, wenn das erste Projekt, bei dem man teilt nimmt, direkt in der Heimatstadt stattfindet.
Also Luc = Doppeldaumen hoch! Mit dem waren Conni und ich, nachdem alle Donnerstag nach Hause gefahren sind, weil wir wegen Sturm Freitag nicht betonieren wollten, dann ganz Little Friday-Style sogar auf einer Videopremiere, die allerdings nur aus einem Part bestand (schon komisch und ein bißchen egomäßig, so einen Aufriß in einer Bar für einen einzelnen Videopart zu machen, aber egal). Das war ein sehr nette und feuchtfröhliche Nacht und wir wurden von Lille`s Skateszene mit offenen Armen empfangen. Ich traf dann sogar einen gewissen Arthur, der mit meinem Freund Matze letztes Jahr in Beirut für das MakeLifeSkateLife Projekt war, zu geil, wie klein die Welt immer wieder ist, im Skateboarding passieren solche zufälligen Begegnungen ja ständig, wissen alle, die da fleißig mitmachen. Ganz besonders geil an dem Videopart war natürlich auch, daß ich den ein oder anderen Spot selbst schon gefahren bin, weil ich wie schon tausendmal gesagt in den letzten Jahren viel Zeit hier in Nordfrankreich verbracht habe. Der letzte Trick im Part war dann ein Fakie Flip von einer Plattform in einen großen Ditch, da dab` ich in meinem vorvorletzten Videopart einen Kickflip rein gemacht, und tja, wenn man dann den Locals, die neben mir standen, erklären muß, wo dieser Ditch zu finden ist, nämlich in der Nähe von Roncq, wo wir vor ein paar Jahren gebaut hatten, dann fühlt man sich schon fast wie ein Einheimischer. Cèst la vie, com si com sa…
Conni und ich wollten dann eigentlich zu zweit Freitag ein bißchen weiter Vorbereitungen auf der Baustelle machen, aber wir waren doch recht spät zu Hause (Conni mußte Luc schieben und ich suchte noch eine andere Bar, die ich nicht fand) und der Freitag war so rein gar nicht gemütlich (Sturm hattet ihr, glaube ich, in Deutschland auch reichlich, nä!?). Da sind wir dann lieber in der Unterkunft geblieben und haben rumgegammelt. Naja, und Freitagabend gab`s dann ein Konzert von einer sehr jungen Hardrock-Band in der sehr gemütlichen kleinen Bar von Luc`s Eltern, bei all den good Vibes konnte ich dann auch nicht nein sagen, Conni war immerhin so vernünftig und ist zu Hause geblieben. Das war dann ebenfalls wieder ein sehr netter und feuchtfröhlicher Abend mit sehr lieben Leuten, wir sind dann hinterher noch in zwei andere Bars und zum Absacken in die Butze von Luc`s älterem Bruder Thomas, und zwar mit dessen kompletter Band The Arrogants (nicht die, die gespielt hatten) plus Groupie-Anhang. Das war auch recht lustig, denn ein paar von denen haben an diesem Abend zum ersten Mal MDMA genommen, das irgendjemand aus Deutschland mit nach Frankreich geschmuggelt hatte, und ja, wir waren alle recht fluffig unterwegs, Luc und seine Freunde können auf jeden Fall auch feiern, die jungen Leute eben. Dazu sei nebenbei noch kurz erwähnt, daß das hier mit den Corona-Maßnahmen ein kleines bißchen lockerer genommen wird, die Belgier und Franzosen sind halt in vielerlei Hinsicht nicht so verbissen wie wir Deutschen, so gesehen war es mal wieder schön, ein Wochenende locker durch die Hüfte zu atmen.
Also Little Friday und Freitag halt, vorgezogenes Wochenende. Gestern, eben Samstag, war ich dann auch erst um Acht morgens zu Hause und der Tag war damit natürlich im Arsch. Conni und ich hatten unser Freitagsprogramm eigentlich gestern nachholen wollen, aber mit mir war natürlich einfach nicht zu rechnen und so richtig Bock hatte Conni auch nicht, weil es auch nach wie vor echt stürmisch und ungemütlich draußen ist. So auch heute, wo wir dann eigentlich das Programm von vorgestern, äh, gestern nachholen wollten, ham wir dann aber auch gelassen. Eigentlich sind wir ja zum Arbeiten hier, aber ohne Frage muß mensch die Feste feiern, wie sie kommen, das entsprechende Chill-Programm hinterher muß dann halt mit eingeplant werden. Ich hab`s tierisch genossen, mal wieder wild mit ein paar jungen Leuten in einer fremden Stadt durch die Straßen zu ziehen, das ist hier bei den Projekten in Nordfrankreich ja nicht die Regel, oftmals hängen wir ja auch in irgendwelchen Käffern fest, wo so rein gar nichts los ist. Und der gepflegte Bauarbeiter läßt nun mal gerne am Wochenende Fünfe gerade sein und schraubt sich einen rein, das ist ja nun mal gar nichts Neues.
Gerade Belgier tun das gerne auch mal unter der Woche, Mikey ist da ja auch echter Experte drin, und wenn man schon tagsüber nicht klar miteinander redet, dann lassen sich die Probleme besoffen abends um Zehn nach wie vor am besten klären, daran hatte sich also auch nichts geändert, ach, wie habe ich es vermißt… Ja, wie gesagt, meine Tage hier an der belgischen und französischen Front sind wohl echt gezählt, wenn man so will, sind es genau genommen noch fünf, denn am Wochenende muß ich hier abrücken, da zu Hause genug Arbeit auf mich wartet. Nun ist letzte Woche Duri`s (ein anderer belgischer Kollege) Vater gestorben und Mittwoch werden wohl alle zur Beerdigung fahren, ich bin da leider tatsächlich etwas gespalten, was soll ich auf einer flämischen Beerdigung von jemanden, den ich nicht gekannt habe? Nur um meinen Respekt zu zeigen? Den hat Duri als einer der echten und ältesten Veteranen in dieser Szene sowieso, und, Junge, ich bin doch zum Arbeiten hier…
Vielleicht nächsten Samstag noch einen Tag nachholen!? Mal gucken, wie sich die Woche entwickelt, morgen werden Conni und ich erstmal das an Vorbereitungen machen, was wir seit Freitag erledigt haben wollten, und den Pool werden wir ja wohl auf jeden Fall diese Woche noch fertig betoniert kriegen. Ich denke auch, ich werde dann noch bis Sonntag in Belgien bleiben, denn am Samstag gibt es eine Abrißparty in einem besetzten Haus in Gent mit einem Indoor-Pool drinne (da ist gerade ein Artikel drüber in der aktuellen Confusion Ausgabe). Sieben Punk- und Hardcore-Bands sollen da spielen und so ungefähr jeder, mit dem ich hier in den letzten acht Jahren gebaut habe, wird da sein, das könnte in der Tat ein wirklich toller Abschied für mich werden, vielleicht soll es sogar alles einfach einmal mehr so sein…
Tja, so viel dann erstmal von mir an diesem stürmischen Sonntagabend, ich werde mich dann wohl auch erst wieder melden, wenn ich wieder zu Hause bin, ich hab` so im Gefühl, die Woche wird noch recht ereignisreich, und nach Feierabend wollte ich eigentlich auch nochmal den ein oder anderen Streetspot ansteuern und nicht am Rechner rumtippen. So spannend sind diese Montage-Geschichten ja auch nicht, hoffnungslos maximale Selbstbeweihräucherung, daß es einem schon aus den Ohren rauskommt, aber ey, das Leben ist schön, meins zumindest.
Gehabt euch wohl bis zum nächsten Mal,
das Arne